Schach dem Diktator – Pedros Rettungsidee

Vor einigen Tagen fiel mir das Kinderbuch „Der Aufsatz“ von Antonio Skarmeta in die Hände, das  mit dem „Unesco-Preis für Kinderliteratur im Dienst der Toleranz“ und auch mit dem „Gustav-Heinemann-Friedenspreis“ ausgezeichnet wurde. Obwohl ich dieses schmale Werk schon mehrmals (hintereinander) gelesen habe, kann ich es nicht aus der Hand legen. Allein die sehr plastischen Illustrationen von Jacky Gleich verdienen ausgiebige Betrachtung.

„Der Aufsatz“ ist ein sehr politisches Buch , das der chilenische Autor, den viele Leser hauptsächlich durch sein Werk „Mit brennender Geduld“ (als Film „il postino“) kennen, in Erinnerung an die Militärdiktatur  geschrieben hat.

Held der spannenden Erzählung ist der 9-jährige Pedro, der ein sehr normales Leben zwischen Schule,Eltérnhaus und vor allem Fußball verbringt. Er ist klein,aber auch schlau und hat eine sehr wache Beobachtungsgabe. So ist ihm aufgefallen, dass seine Eltern abends häufig vor dem Radio sitzen und aufmerksam zuhören, um „interessante Dinge über uns und unser Land“ zu erfahren, so sagen sie es ihm.

Einige Wochen später, als er wieder in einem Straßenfußballmatch seine gefürchteten Dribblings zelebriert und auch noch ein Tor schießt, will sich nicht der gewohnte Jubel seiner Freunde einstellen. Alle Beteiligten sind wie gelähmt,als der Vater eines Fußballfreundes von Militärs abgeführt wird.“Warum haben sie ihn mitgenommen?“,fragt Pedro seinen Freund.“Mein Papa ist gegen die Diktatur“, sagt dieser leise..

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , | Schreib einen Kommentar

Mit 14 hat man noch Träume…

Kürzlich durfte ich im Rahmen einer Offenen Stadtmeisterschaft gegen ein Jungtalent antreten, das ganze 14 Jahre jung ist und schon nach wenigen Turnieren eine DWZ von ca 1760 aufweist. Jeder „Altmeister“ weiß, wie undankbar und vor allem DWZ-schädlich eine solche Konfrontation ausgehen kann, da diese Talente in der Regel ihrer „echten“ Wertungszahl hinterherhinken. Ich selbst hatte in dem zarten Alter mit dem Schachspielen begonnen, indem ich mich mit „Das kleine Buch vom Schach“ täglich in mein Zimmer zurückzog, und auf einem kargen Schachbrettchen ein mühevolles Selbststudium in die Wege leitete. Die harten Worte meines Vaters“ Schach ist viel zu schwer für dich!!“ trieben mich in diese akademische Enge. Heute – nach 40 Jahren Schachpraxis – neige ich dazu, ihm Recht zu geben.

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , | 2 Kommentare

Das Drama des unbegabten Schachlehrers

Seit einigen Wochen schlich ich um die Einlösung eines vermaledeiten Versprechens herum: Meine Schwägerin hatte mir im Rahmen einer Großfamilienzusammenführung (Mutters 79.Geburtstag) stolz berichtet, daß ihr Jüngster (7) angefangen habe, S C H A C H  zu spielen und auch die S C H A C H  AG der hiesigen Grundschule fleißig besuche. Sie bat mich , doch mal in Kürze gegen den Kleinen eine Partie zu spielen. Er würde sich sehr darauf freuen, und sie habe ihm auch fest versprochen., dass ich dies gerne machen würde…Ich hatte vage – verlegen lächelnd – zugestimmt, da ich dies als meine Onkelpflicht erachtete. " Ja, ja, wenn ich mal Zeit habe, gerne, na klar, das freut mich sehr, dass der Kleine tatsächlich Schach lernen will, da kann ich ihm vielleicht ein wenig helfen"… usw. Und ich fügte mit kräftiger Betonung hinzu:" Das Wichtigste beim Schach ist, dass man das Verlieren lernt!!"  – Damit hatte ich – eher unbewußt – einen Kontrapunkt zu der immens verwöhnenden Erziehungspraxis des Neffenhaushalts markiert.

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , | 9 Kommentare

Viktor Kortschnoi und das Fußvolk in Neuß

Im Jahre 1978 war Baguio City auf den Philippinen Schauplatz des denkwürdigen WM-Spektakels zwischen Karpow und Kortschnoi.Wenn auch die meisten Beobachter erstaunt waren, dass „Viktor der Schreckliche“ einen kompletten Fehlstart mit 1:4 Punkten fabrizierte, so wunderte ich mich nicht im Geringsten …

Etwa 6 Wochen vor Beginn des Kampfes weilte Kortschnoi in Neuß, wo er eine Simultanveranstaltung  gab (ebenso wie R.Hübner und Bodo Schmidt). Am Meererhof unter freiem sonnigen Himmel erwartete ein bunt -gemischtes Amateurlager gespannt den WM – Herausforderer. der durch seine Abkehr vom Sovietsystem natürlich  der „ideale“ Gegner für den regimetreuen Breschnewliebling Karpow darstellte.

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , | 5 Kommentare

Curacao 1962 – Als Gegner noch Feinde waren…

Neulich besuchte ich mal wieder meinen getreuen Schachhändler, um einige Lustkäufe in Sachen Schachliteratur zu ermöglichen. Mir fiel dabei das Buch von Jan Timman "Curacao 1962 – The Battle of Minds that Shook the Chess World" in die Hände, dessen Titelfoto mich allein schon zum Kauf nötigte: Es zeigt Bobby Fischer und Tigran Petrosjan, die offensichtlich schon vor Beginn der Partie einige Unhöflichkeiten austauschen: Bobby in der Manier eines jungen Angebers grüßt seinen Antipoden wie einen Untergebenen , der gnädigerweise in seiner "Firma" arbeiten darf.

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , , | Schreib einen Kommentar

Die Weltrangliste und ich

Nach fast 40 Jahren Schachpraxis ziehe ich schonungslos Bilanz:

In der WELTRANGLISTE der FIDE rangiere ich auf Platz 24408, in der NATIONALEN Rangliste auf Platz 3166.

„Da ist noch Luft nach oben“ würde meine gutmütige Gattin schmunzelnd hinzufügen, wenn ich ihr dies gestünde.Stattdessen lasse ich sie in dem Glauben, dass ich eine (lokale)Schachgröße bin, für die es sich lohnt, sonntags zum Mannschaftskampf frühmorgens Stullen zu schmieren, die Thermoskanne mit Kaffee zu füllen und im Cockpit des PKW eine kleine „Ritter Sport Nuss“ als Überraschung zu hinterlegen.

Alldieweil laufe ich herum, suche „meinen Kugelschreiber“, „meinen Rucksack“, „mein Lieblingshemd“ und verspüre alsbald das altvertraute Gegrummel und Gezerre im Magen, das schon so lange meine Vorbereitungen begleitet. Fast hätte ich’s vergessen: Die richtige(!)Musik für die Fahrt… Meine Gattin wirkt erleichtert, wenn ich endlich „Alles beisammen“ habe und um die Ecke biege…

Nachdem ich meine Lieblings-CD von Benny Golson eingelegt habe und auch die Sonntagsmorgensonne freundlich durchs Fenster schimmert, fühle ich mich allmählich wohltuend gestärkt, auf dem Beifahrersitz der rot-weiß-karierte Rucksack (Kaffee,Brote,Dextro-Energen,Toilettenpapier,Mineralwasser), vor mir die Aussicht auf die Niederrheinische Landschaft und auf einen Gegner, der mit seiner bescheidenen DWZ von 1830 wohl einen schweren Tag haben wird.

Der Kampf beginnt pünktlich um 10 Uhr. Ich nehme am 4.Brett Platz., begrüße freundlich meinen Gegner mit dem Satz, den ich mir nicht abgewöhnen kann:“ Möge der Schlechtere gewinnen!“ und lächele . Dieser verzieht keine Miene, sondern eröffnet mit 1.f4. Irgendwie paßt dieser Eröffnungszug nicht zu meinem Gegenüber, der mir sehr rustikal und rundlich-rotwangig , eher bäuerlich erscheint.“ Ein schneidiger Angriffsspieler sieht anders aus…“ Nun gut. Ich antwortete mit 1…e5 und hoffe schon auf 2.fxe5 d6 3.exd6 Sf6?! 4.dxc7 Dxc7 mit baldiger Rückfahrt. Ohne zu zögern folgt allerdings 2.d3, was mich leicht irritiert. Also 2…exf4 3.Lxf4 Df6 4.Dc1

Wir flogen also beide netterweise „aus dem Buch“, schon habe ich nach nur 4 Zügen als Schwarzer Oberwasser.Locker folgt 4….Lc5 5.e3 Se7 6.Sf3 Sd5 7.d4 Sxf4 8.exf4 Lxd4 9.c3 De6+ 10.Le2 . Nachdem mein Gegner die Eröffnung so erbärmlich behandet hatte, will ich alle taktischen Mätzchen, die am Horizont auftauchen könnten, im Keim ersticken. Ein technisch-leicht gewonnenes Endspiel strebe ich mit dem folgenden Zug an:

10….De3. 11.Dxe3 Lxe3 Die Pointe ist nun klar: Weiß verliert noch einen weiteren Bauern (f4 oder b2) und sollte eigentlich aufgeben. Nein, er spielt einfach weiter: 12.g3

also: 12. …Lc1 13.a3 Lxb2 14.Ta2 Lc1

Irgendwie erfüllt mich ein gewisser Stolz, dass ich endlich mal ohne Verwicklungen und „Romantizismen“ ganz technisch, ganz schnöde (wie meine Kritiker) , in Vorteil gekommen bin, und ich merke allmählich, wie erholsam und stressfrei solche „einfachen“ Siege sein können.

Mein rustikaler Gegner beugt sich weit vor, ich wische mir die Hand an meiner Cordose schnell trocken, da ich annehme, dass er aufgeben will, und zieht … 15. Kf2

Er lehnt sich zurück, verschränkt die Arme, bis seine Wangen glühen, springt dann auf, um seinen Getreuen eine wichtige Botschaft zu übermitteln. Sie formieren sich zu einem Rudel ,nehmen Kurs auf unser Brett und  nicken erheitert…

Der 24408te der Weltrangliste versinkt in Grund und Boden.

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , | 2 Kommentare

Hape Kerkeling – ein weiser Wegweiser

Auch ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Bestseller von Hape Kerkeling “ Ich bin dann mal weg“ durchzulesen ,um seine Jakobswegwanderung mitzuerleben.

Sein Fazit:

„Dieser Weg ist hart und wundervoll. Er ist eine Herausforderung und eine Einladung. Er macht Dich kaputt und leer. Und er baut Dich wieder auf. Er nimmt Dir alle Kraft und gibt sie Dir dreifach zurück.“

Diese Zeilen fielen mir wieder ein, als ich vor einigen Tagen von einem Schachturnier heimkehrte, wo ich gerade von einem „Patzer“ jämmerlich gedemütigt worden war. Die Schmach saß so tief, dass ich sie am nächsten Tag sogar einem befreundeten Nicht-Schachspieler mitteilen mußte. Er konnte mir nicht helfen – so schien es; doch plötzlich sprachen wir einträchtig und voller Enthusiasmus nur noch vom Kerkeling – Buch. Und dann folgte mein Geburtstag, und dann folgte eine Überraschung, und dann folgte ein befreiendes Lachen, als er mir sein Geschenk überreichte:

Danke Peter!

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , | Schreib einen Kommentar

Von Riesen und Zwergen

Manchmal gelingt es mir, mehrere Stunden am Tag nicht an Schach zu denken. Doch unterschwellig ist die Sucht jederzeit abrufbar, wenn auch nur eine klitzekleine „Eselsbrücke“ den Weg kreuzt. So geschehen gestern, als ich in aller Unschuld ein Buch von  Wolfgang Hey aus dem Regal zupfte mit dem Titel „Von Riesen und Zwergen“ .Der Autor, ein ehemaliger Bürgermeister und Landrat aus Rheinland-Pfalz, hat eine illustre Auswahl seiner „satirischen Verse“ zu Papier gebracht , eingeleitet mit einem Vorwort von  Dieter Hildebrandt . „Dann wirds wohl nicht so jämmerlich amateurhaft sein“, dachte ich und putzte neugierig abwartend meine Brillengläser.

Ich schlug das Büchlein irgendwie einfach auf, landete auf S.46:

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , | Schreib einen Kommentar

Der Schachspieler auf dem Rennrad

Tim Krabbes Roman „de Renner“ endlich auf Deutsch erschienen.

Nach fast 30 Jahren ist dieser Radsportklassiker endlich auch für deutsche Krabbe-Fans lesbar: ?Das Rennen?, ein autobiografischer Roman, der nicht nur für Cyclisten ein literarisches Meisterwerk  darstellt, sondern auch für jeden ambitionierten Sportler eine wahre Fundgrube an sprachlicher und psychologischer Kunstfertigkeit bereit hält.

Die Schachfreaks kennen Krabbe meist nur als Urvater der Schachblogs, der mit seinen „Schachkuriositäten“ seit vielen Jahren beste Unterhaltung bietet: http://www.xs4all.nl/~timkr/chess/chess.html  Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der junge Tim schon mit 15 Jahren Radrennfahrer werden wollte, jedoch nicht das nötige Kleingeld für ein Rennrad aufbringen konnte. So blieb er beim Schach. Mit 30 Jahren legte er das Schachbrett zur Seite , um doch noch seinen Platz auf dem Rennrad einzunehmen. Als leidenschaftlicher Radsportler führt er uns in seinem Roman  durch ein Amateurradrennen 1977 in den Cevennen (Tour de Mont Aigoul). Seine Psychologie des Sports , die Unerbittlichkeit des Siegenwollens. die Schmerzen des Todeskampfes, schildert er so eindringlich, dass der Leser sich gleichsam in einem Begleitfahrzeug wähnt, aus dem ungefiltert diese existentiellen Fahrerkämpfe zu beobachten sind:

„Mein ganzes Leben hatte im Rückblick nur ein Ziel gehabt: dieses letzte Hinterrad zu erreichen, hier , jetzt. Ich konnte nicht mehr. Aber diese forteilende Ziellinie, acht, sieben, sechseinhalb Meter vor mir, hielt meine Hoffnung und mein Verlangen wach.

„Ich hustete und spuckte. Ich erinnerte mich  an den Ratschlag :“Schalte, wenn du wirklich am Ende bist, in einen höheren Gang. Ich schaltete. Ein paar hysterische Tritte auf dem Dreizehner, die geballte Kraft des Todeskampfes. Ich war da. Ich hing am letzten Hinterrad. Ich war Mitglied der Spitzengruppe.“

Seine Erfahrungen als Schachspieler begleiten den ehrgeizigen Radsportler übergangslos, fast assoziativ. Als ein junger Außenseiter schon frühzeitig einen Ausreißversuch unternimmt, der von den erfahrenen Fahrern nicht einmal ernsthaft registriert wird, weil er von kompletter Dummheit diktiert wurde, fällt dem Schachspieler Krabbe sofort seine eigene Lehrstunde ein:

„Krabbe brachte in seiner Partie bereits nach 5 Zügen ein Aufsehen erregendes Damenopfer, sodass sich um seinen Spieltisch Trauben von Zuschauern bildeten. Nach 10 Zügen gab er auf.“

Im Peloton wie im Sport allgemein gelten für Krabbe knallharte Regeln.“ Wer sich mit anderen misst, will gewinnen, will den anderen ausschalten, ihn am Boden liegen sehen.

Nichts zischt so schön wie der platzende Reifen

eines Konkurrenten !“

Gerade diese martialischen Beschreibungen des Sportlerhirns liefern ehrliche und amüsante Auskünfte .Kein „Dabei-sein-ist-alles “ –  Gefasel der Sonntagsredner kann Krabbe gelten lassen, nein, er polarisiert und polemisiert herzerfrischend, setzt gerne noch einen drauf“.

Wer ein guter Verlierer sein kann, sollte vom Sport ausgeschlossen werden.“

Ich gebe zu, dieses Buch zweimal hintereinander gelesen zu haben, obwohl ich mein Fahrrad lediglich zum Einkaufen und zum schüchternen Sichern meines PKW-Führerscheins benutze.

Radsportweisheiten, die Krabbe immer wieder am Rande einstreut, kann man ( auch als Schachspieler) nicht oft genug lesen. Er zitiert z.B den berühmten Radrennfahrer Hennie Kuiper, der dem ambitionierten, doch schon etwas gealterten  Radnewbie Krabbe folgenden strategischen Rat mit auf den Weg gibt:

„Radsport ist ein Sport der Geduld. Radsport bedeutet, zuerst den Teller des Gegners leer zu essen, und sich erst dann den eigenen Teller vorzunehmen.“

ich wünsche diesem beeindruckenden Werk viele Leser:

Tim Krabbe: „Das Rennen“, Reclam Verlag,

 ISBN:3-379-00848-8, 12

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , | Schreib einen Kommentar

Daniel Harrwitz – Wat für ’ne fiese Charakter

Daniel Harrwitz (1829 – 1884) war zu seiner Zeit einer der führenden Schachmeister Europas.In Breslau geboren verschlug es ihn  schon recht früh in die Schachzentren Londons und vor allem Paris. Auffallend an ihm der große Kopf auf kleinen Schultern, die schachmustergestickten Hemden und Krawatten und vor allem seine dandyhafte-überhebliche Art, seine Umwelt zu behandeln..

In London  legte er in einem Match mit Staunton den Grundstein für eine fundierte Feindschaft, an der der umstrittene Engländer nicht schuldlos war. (Staunton war so unbeliebt, dass sich das CITY of LONDON MAGAZINE in seinem Nachruf weigerte, “ die alte Regel zu befolgen, nach der man über Tote nur Gutes sagen solle.Das mögen Verfasser von Grabinschriften tun, deren Geschäft es ist, Lügen in Marmor zu meißeln.“( aus: Wolfram Runkel „Schach,Geschichte und Geschichten“). Im Laufe des Wettkampfs ergab sich in einer turbulenten Partie ein heftiger (schachlicher) Schlagabtausch, der mit einem Bauernverlust des Engländers endete.Dieser nun konnte es nicht verwinden, dass seine „Gewinnkombination“ so schnöde krepierte.Er jammerte vor sich hin (“ I have lost a pawn“) und schien diesen mehrmals wiederholten Stoßseufzer nicht gegen sich sondern gegen seinen Gegner zu richten. Harrwitz riß der Geduldsfaden.Er klingelte nach dem Ober und sagte:“ Herr Ober , würden Sie bitte den Fußboden absuchen, mein Gegner muß hier irgendwo einen Bauern verloren haben!“

Weitere hochkarätige Wettkämpfe folgten: Gegen Adolph Anderssen (5:5) und vor allem gegen den Überflieger Morphy, der ihn im Cafe de la Regence zu einem Match herausforderte. Zur Überraschung der Fachleute gewann Harrwitz die ersten beiden Partien. Spätestens hier jedoch verfestigte sich der Eindruck vieler Zeitzeugen, die dem eitlen Breslauer vorwarfen, er sei „unausstehlich nach Niederlagen und ebenso unausstehlich nach Siegen“. Nachdem er die 2.Partie gegen den Amerikaner gewonnen hatte, beugte er sich über den Tisch, nahm das Handgelenk Morphys und verkündete – triumphierend in die Runde schauend – oh, sein Puls geht nur ein wenig schneller, als wenn er gewonnen hätte“. Morphy hat anschließend den Wettkampf souverän gewonnen!

Ein schönes Beispiel, wie man einen „fiesen Charakter“ wundervoll in das Spiel der Könige integrieren kann, lieferte der gescholtene Dandy dann bei einer Simultanveranstaltung: Hier verweise ich voller Respekt und Dankbarkeit auf die Site von Edward Winter , der die folgende – von mir sehr frei übersetzte – Anekdote zu Tage förderte:

In einer Partie war des Meisters Springer von einem schwarzen Bauern angegriffen.Der offensichtliche Weg war natürlich, dieses Pferdchen wegzuziehen, doch…Harrwitz sieht plötzlich, dass ein vierzügiges Matt möglich ist, wenn er den Springer stehen läßt und sein Gegner ihn nimmt. Allerdings würde der Amateur doch sehr stutzig werden, wenn der Meister einfach seinen König zur Seite bewegen würde, obwohl das Pferdchen hängt.  Da kam dem durchtriebenen Fiesling eine geniale Idee:

Er zog entschlossen Sb3 xe5 . Einen illegaleren Zug hätte er kaum erfinden können ( Sb3 – d5 erschien ihm vielleicht „unklar“?!).Prompt reklamierte der Amateur. Harrwitz protestierte und wurde unruhig. Schließlich sah er sein „Versehen „ein, machte den zur damaligen Zeit obligatorischen Strafzug mit dem König (!) nach b1 . Sein Gegner schlug hart und blitzschnell den Springer auf b3. Daraufhin kündigte der Schlaufuchs adhoc ein Matt in 4 Zügen an und gewann mit : 1.Dxa6+ Txa6 2.Lxa6+ Kb8 3.Td8+ Lc8 4. Txc8 matt!

Weiterlesen

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , | Schreib einen Kommentar