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Der Bilderfluter
Die übliche Morgenpost (Rechnungen etc) wurde heute aufgefrischt durch eine Zeitschrift, die eigentlich an den Sohnemann adressiert war, jedoch erstmal in meinen Fängen hängenblieb, da mir das Titelblatt sofort ins Auge sprang und zum Aufblättern animierte:
„ F l u t e r “ – „MAGAZIN DER BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG„, Juni 2008. Thema des Heftes:“
Dabei sein ist nicht alles. Das Sportheft“
. (Auf dem Titelbild: Aus der Vogelperspektive abgelichtet zwei Boxer im Ring. Der eine stehend, zur Ringecke gehend, der andere sehr flach auf dem Rücken liegend, zur Decke starrend.
Ich bin beeindruckt, wie attraktiv und tiefgründig die Probleme des Sports für Jugendliche aufbereitet sind 🙁Sport und Geld in Deutschland; Klaus Theweleit über Körperkult; Sport ist vom Fernsehen abhängig usw).
Dann stoße ich auf einen Artikel, der mich (natürlich) besonders anzieht:“ Sport kann echt den Charakter verderben“.
Es werden 8 Beispiele aufgezeigt, die dies bestätigen. u.a. der Olympische Marathonlauf 1972, als ein Schüler mit selbstgebastelter Startnummer plötzlich als erster ins Münchener Olympiastadion einläuft und sich als vermeintlicher Sieger feiern lässt und dem echten Sieger Wayne Shorter die Show stiehlt.
Natürlich darf Zidane mit seinem Kopfstoß nicht fehlen und auch der Ohrenbiss von Mike Tyson gegen Holyfield .
Und auch der Olympische Fünfkampf Montreal 1976 hat seine Skandalfigur:
Boris Onischenko: „…tritt …als Mitfavorit im modernen Fünfkampf an. Beim Degenfechten gewinnt er mehrere Kämpfe hintereinander.Im Duell mit dem Briten Jim Fox fällt dessen Teamkameraden auf, dass der Degen weit vom Gegner entfernt ist, als die Lampe aufleuchtet…. “ (Onischenko hatte an der Elektronik gebastelt).
Dostojewski,Botticelli und Karel Gott – Als Schachmeister noch Typen waren
Das Internet ist wahrlich ein Segen für das gesamte Schachleben, nicht zuletzt wegen der enormen Informationsfülle, die auch dem Fußvolk der Schächer geboten wird. Es ist eine Demokratisierung der Möglichkeiten, die früher nur den privilegierten Meisterspielern vorbehalten war.Zudem ist der Unterschied zwischen realem Klötzchengeschiebe und dem Mausgeklicke zwecks Figurenbewegung kaum erwähnenswert. Dennoch erlaube ich mir eine Zwischenfrage:
„Wo fangen Sie an zu suchen, wenn ein Gast Ihre Wohnung betritt und fragt, ob Sie Lust haben, eine Partie Schach zu spielen?! Ich bin mir nicht sicher, wo mein edles Turnierbrett geblieben ist (wahrscheinlich hinter ein Bücherregal geklemmt), doch vollends hilflos würde ich dreinschauen, wenn ich auf Figurensuche gehen müßte….
Und ich erlaube mir heute einen (verklärten?) Blick zurück in die Zeit, als ich noch abends zum Düsseldorfer Hauptbahnhof stiefelte,um die neuesten Ergebnisse des Bieler Interzonenturniers in einer Schweizer Zeitung nachlesen zu können, als Robert Hübner großartiges Schach spielte.
1977 durfte ich als Vertreter der Uni Düseldorf an der „Deutschen Hochschuleinzelmeisterschaft“ teilnehmen, die in St.Andreasberg ausgetragen wurde. Im benachbarten Bad Lauterberg fand gleichzeitig ein Großmeisterturnier mit dem amtierenden Weltmeister Karpov und anderen Schachgrößen (Torre,Timmann,Miles ,Hübner!etc )statt. Es war ein prägendes Erlebnis, neben dem eigenen amateurhaften Herumstochern, die Meister in der Nachbarschaft zu besuchen, um stundenlang neben den Brettern zu hocken und mitzufiebern. Kein geringerer als der Satiriker Eckhard Henscheid hat in der DZ vom 25.3.1977 ein Schlaglicht auf diese besondere Veranstaltung geworfen: Er deutet dabei schon an, welche Veränderungen die Schachwelt zu erwarten hat, vor allem, wie respektlos und frech die neuen „Wilden“ ihre Aufgaben angehen:
„Bei Zug 20 steht das Brett in Flammen –
Die neuen Meisterfiguren des Schachspiels.
Anatoli Karpov hat das königliche Spiel in Bad Lauterberg als seriöser Musterknabe vertreten.Aber schon kreuzen flotte Antitypen mit Computerhirn am Tisch auf….
Ja die neue Generation der „flotten Antitypen“, die hat Henscheid schnell ausgemacht:
Der Bottcelli-Engel
Jan Timman Eugenio Torre Antony Miles
Das Internet ist wahrlich ein Segen für das gesamte Schachleben, nicht zuletzt wegen der enormen Informationsfülle, die auch dem Fußvolk der Schächer geboten wird. Es ist eine Demokratisierung der Möglichkeiten, die früher nur den privilegierten Meisterspielern vorbehalten war.Zudem ist der Unterschied zwischen realem Klötzchengeschiebe und dem Mausgeklicke zwecks Figurenbewegung kaum erwähnenswert. Dennoch erlaube ich mir eine Zwischenfrage:
„Wo fangen Sie an zu suchen, wenn ein Gast Ihre Wohnung betritt und fragt, ob Sie Lust haben, eine Partie Schach zu spielen?! Ich bin mir nicht sicher, wo mein edles Turnierbrett geblieben ist (wahrscheinlich hinter ein Bücherregal geklemmt), doch vollends hilflos würde ich dreinschauen, wenn ich auf Figurensuche gehen müßte….>
Und ich erlaube mir heute einen (verklärten?) Blick zurück in die Zeit, als ich noch abends zum Düsseldorfer Hauptbahnhof stiefelte,um die neuesten Ergebnisse des Bieler Interzonenturniers in einer Schweizer Zeitung nachlesen zu können, als Robert Hübner großartiges Schach spielte.
1977 durfte ich als Vertreter der Uni Düseldorf an der „Deutschen Hochschuleinzelmeisterschaft“ teilnehmen, die in St.Andreasberg ausgetragen wurde. Im benachbarten Bad Lauterberg fand gleichzeitig ein Großmeisterturnier mit dem amtierenden Weltmeister Karpov und anderen Schachgrößen (Torre,Timmann,Miles ,Hübner!etc )statt. Es war ein prägendes Erlebnis, neben dem eigenen amateurhaften Herumstochern, die Meister in der Nachbarschaft zu besuchen, um stundenlang neben den Brettern zu hocken und mitzufiebern. Kein geringerer als der Satiriker Eckhard Henscheid hat in der DZ vom 25.3.1977 ein Schlaglicht auf diese besondere Veranstaltung geworfen: Er deutet dabei schon an, welche Veränderungen die Schachwelt zu erwarten hat, vor allem, wie respektlos und frech die neuen „Wilden“ ihre Aufgaben angehen:
„Bei Zug 20 steht das Brett in Flammen
Die neuen Meisterfiguren des Schachspiels.
Anatoli Karpov hat das königliche Spiel in Bad Lauterberg als seriöser Musterknabe vertreten.Aber schon kreuzen flotte Antitypen mit Computerhirn am Tisch auf….
Ja die neue Generation der „flotten Antitypen“, die hat Henscheid schnell ausgemacht:
Sosonko vetraut beim Match mit Karpov auf Schokolade, der russische Altgroßmeister und Karpov-Trainer Furman raucht als einziger zügig, bis zum 20.Zug immerhin sechs heimatliche Filterzigaretten.Prächtig schmaucht der Turnierleiter Helmut Nöttger seine Zigarre und zischt gemütlich ein Pils.Sonst dominiert schwarzer Kaffee;der Bilderbuch-Phlegmatiker Keene aus England vertraut schwarzem Tee. “ –
Genau dieses unmittelbare Erlebnis, Individualisten, Charaktere, kurzum echte „Typen“ bei der Denkarbeit zu beobachten, machte den Reiz der Begegnung aus. Mit meiner (nichtdigitalen) Kamera habe ich damals ein paar Momente festgehalten, die ich im Folgenden einstreue (Boticelli!!). Henscheid wagt einen Ausblick in die Zukunft:
„Amüsiert zu bewundern war in Bad Lauterberg die neue Großmeistergeneration der Rocker und Beatles. Der Philippino Torre. einer der drei Karpov-Bezwinger seit 1975, verstrahlt Twen-Niedlichkeit im Jeansanzug, der Schwede Andersson spielt in einer Art Rocker-Jacke gegen den wirrhaarigen Blue-Jeans-Engländer Miles. Ein optisch besonders reizvolles Team bilden der Grandseigneur Furman und der Holländer Jan Timman, ein langmähniger Boticelli-Engel in kunstvoll
vergammeltem internationalem Freizeit-Look.
Diese neue Großmeister-Generation, sie will vielleicht doch mehr als nur Schach. Das läßt Unheil befürchten. Ebenso wie die Vision, die jungen Giganten würden noch mit 60 in Jeans gegeneinander vorgehen. Ob da nicht selbst die Würde einer 12 zügigen Kombination Schaden nimmt? Aber noch ist Karpov im schwarzen Anzug Weltmeister.
Doch selbst der angepaßte junge Mann „im schwarzen Anzug“ konnte in seiner Blütezeit die Massen elektrisieren, da er unverwechselbar- eben ein Typ war. Amüsant zu lesen, wie z.B. die „Stuttgarter Nachrichten“ im April 1977 das Phänomen Karpov anläßlich eines Uhrensimultan gegen 10 starke Amateure zu beschreiben versuchen. Mit großem Aufwand wurden sogar Fernsehkameras in die Daimler-Benz-Sporthalle montiert.
Ein gewisser KNITZ hat sehr genau hingeschaut:
„Was die Kameras freilich wenig zeigen konnten. waren die Hände Karpows: er hat Finger wie ein Pianist.Und wenn er ein Brett abräumt, tut er das zärtlich wie ein Antiquitätenhändler. Und er hat einen reizenden Adamsapfel. Vor welchem Brett er auch immer stand: erst ging der Adamsapfel dreimal rauf und runter. Dann guckte er den jeweiligen Spieler an, als singe Karel Gott das Lied von der Moldau. Dann strich er sich die Haare vor dem Ohr nach unten. Dann räumte er das Brett ab. Oder er wippte wie eine Taube mit dem Kopf und zählte offenbar an den Feldern ab, was geht und was nicht geht . Alles an ihm ist rasch, fein, leise, scheu, freundlich. Die Sowjets zeigen ihre zweite Generation vor, und da geht schon einiges wieder zurück auf Dostojewski….“
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Verschlagwortet mit als, noch, schachmeister, typen, waren
Ein Kommentar
Lasker in Alaska
Das neue Buch von Michael Chabon „Die Vereinigung jiddischer Polizisten“ liegt zusammengeklappt neben meiner Tastatur, gespickt mit eingeschobenen Zettelchen, Kommentaren und diversen Verweisen , als ob ich in Kürze ein Referat dazu abliefern müsse.
Doch in Wirklichkeit ist es wohl nur der schüchterne Versuch, einen wild gewordenen Autor einzufangen, der sich verdammt viele Freiheiten nimmt und auch historische Personen und Ereignisse fiktional aus den Angeln hebt.
Ich habe nur aus einem einzigen Grund die – anstrengende – Lektüre durchgezogen: Schach ist ein wichtiger Bestandteil des Romans, so die Verlagsankündigung!
Also blättere ich erstmal und scanne blitzschnell mit den Scheuklappenaugen eines Schächers die 420 Seiten in der stillen Hoffnung, mal wieder einen Autor bloßstellen zu können, der zwar netterweise das Thema „Schach“ in seinem Oeuvre aufgenommen hat, allerdings dutzendfach beweist, dass er keine Ahnung von der Materie hat. Welch ein Grinsen, welch ein Lachen, wenn der Protagonist z.B. von der „Nimzo-kroatischen Eröffnung“ schwadroniert! Da freut sich der gemeine Schachamateur, der im Vergleich zum Schriftsteller fast seine gesamte Freizeit opfert, um durch jahrelanges Training vom kleinen Patzer zum großen Patzer aufzusteigen.
Michael Chabon greift in seinem Roman eine alte Idee von Emanuel Lasker auf, der in seinem letzten Lebensabschnitt in New York weilte und sich schriftlich dafür einsetzte, daß die europäischen Juden nach Alaska ausreisen dürften. Was realitätsfremd und naiv wirkte, wurde jedoch von Roosevelts Innenminister Harold Ickes in den Congress getragen, wo dieser Antrag allerdings brüsk abgelehnt wurde.
Man wollte keine „unwashed immigrant population…“
Der Autor lässt nach dem Holocaust die europäischen Juden für eine Übergangszeit von 60 Jahren nach Alaska auswandern in den District Sitka, wo sie ihre eigene jiddische Welt pflegen und kultivieren.
Hier beginnt nun die eigenartige Kriminalgeschichte (a la Chandler), ein echter Whodunit, der schon nach wenigen Zeilen ein prominentes Opfer findet. Detektiv Meyer Landsmann , ein abgetakelter Trinker und Zyniker, muß in der Absteige, die ihm als Herberge dient, einen Mord aufklären.Der Tote scheint Emanuel Lasker zu sein.
Für uns Schächer mit dem 64-Felder-Tunnelblick zitiere ich ein paar Textstellen, die ein „echter“ Schachspieler niemals so vortrefflich schildern könnte: Ort des Geschehens:Hotel Einstein, „in dessen Cafe die großen Verbannten der jüdischen Schachwelt sich Tag für Tag trafen, um sich herz-und erbarmungslos zu vernichten.Landsmans Vater, zu jenem Zeitpunkt halb irre durch das frisch zugeführte Fett, den Zucker und die schleichenden bösen Folgen von Typhus, machte kurzen Prozeß.Er nahm es mit jedem Ankömmling auf und schickte jeden Einzelnen so vernichtend geschlagen aus dem Einstein, dass ein oder zwei seiner Gegner ihm niemals verziehen.Schon damals legte er die düstere,gequälte Spielweise an den Tag, die dazu beitrug,Landsman den Sport bereits als Kind zu vergällen.“Dein Vater spielt Schach“, sagte Hertz Shemets einmal,“ als hätte er gleichzeitig Zahnschmerzen,Hämorrhoiden und Blähungen.“ Er seufzte, er stöhnte.Wie von Sinnen zog er an den stoppeligen Resten seines braunen Haars oder jagte es mit der Hand kreuz und quer über seinen Schädel wie ein Bäckermeister, der Mehl auf einer Marmorplatte verstreut. Die Fehler seiner Gegner verursachten ihm Magenkrämpfe.Seine eigenen Züge, so wagemutig, überraschend, originell und klug sie auch waren, trafen ihn wie furchtbare Nachrichten, so dass er bei ihrem Anblick die Hand vor den Mund schlug und die Augen verdrehte.“
(„So do I“ – Schachneurotiker)
„Onkel Hertz’ Stil war ein völlig anderer.Er spielte ruhig, strahlte Gleichgültigkeit aus, hielt den Körper in einem Winkel zum Brett, als erwarte er in Kürze eine Mahlzeit auf dem Tisch vor sich oder ein hübsches Mädchen auf seinem Schoß…..“
Landsmans Vater schonte auch seinen Sohn nicht, zwang ihn immer wieder zu qualvollen Schachduellen.“Landsmans Vater erlegte seinen Sohn, nahm ihn aus und sezierte ihn, während er ihn von der baufälligen Veranda seines Gesichts beobachtete.“
„ Nach einigen Jahren dieses Sports setzte sich Landsman an die Schreibmaschine seiner Mutter und tippte einen Brief an seinen Vater, in dem er ihm seinen Hass auf das Schachspiel
beichtete und bat, nicht länger zum Spielen gezwungen zu werden.“
Leider brachte der Vater sich um, bevor er diesen Brief öffnen konnte. Die Folgen für den Sohn waren verheerend:
„Er nässte ins Bett, wurde dick, sprach nicht mehr .Seine Mutter schickte ihn zu einer Therapie bei einem bemerkenswert sanften und erfolglosen Arzt namens Melamed.“
Der skurrile, schräge , höchst originelle Kriminalroman kehrt immer wieder zum Schachbrett zurück, da nur dort der Fall zu lösen ist. Eine abgebrochene Mittelspielstellung gilt es zu dechiffrieren (das allerdings kennt man aus anderen Werken), doch immerhin gipfelt die Auflösung in der Beletage der Schächerwelt : Zugzwang und – Unterverwandlung!!
Michael Chabon:"Die Vereinigung jiddischer Polizisten"
Kiepenheuer&Witsch, 19.95 Sehr empfehlenswert – auch für NichtSchächer!
Veröffentlicht unter Allgemein
Verschlagwortet mit jiddischer, polizisten, schach, vereinigung
2 Kommentare
Schacholympiade bleibt spannend
Eigentlich kommentiere ich keine "schachpolitischen" Themen, da dies von kompetenten Schachjournalisten tagtäglich geleistet wird. Nun plane ich seit einigen Monaten meine Reise zur Schacholympiade Dresden, da ist auf einmal mein kleines Schächerleben sehr nah mit der "hohen" Politik verknüpft. Der gute Schwiegervater ( Billard – s.unten) schickte mir den beigefügten Pressebericht, der meine Reisevorfreude arg schmälert
Schwiegervater spielt gern freie Partien
und ich bin von Beginn an chancenlos, obwohl er keine Ahnung vom Schachspielen hat.
Er ist passionierter Billardspieler . (Die Freie Partie ist die Grunddisziplin von Carambole-Billard. Hier gilt die Grundregel, wonach eine Carambolage dann erzielt ist, wenn der Spielball die beiden anderen Bälle berührt, ohne Einschränkungen).
Morgen reist er wieder an – wie jedes Jahr – um die Team-Weltmeisterschaft im Dreiband-Billard in Viersen zu verfolgen.
Wir unterhalten uns gern über unsere Randsportpassionen und sind immer wieder überrascht, wie viele Parallelen sich bei genauerer Betrachtung ergeben. Im Jahre 2004 bin ich dann – neugierig geworden – mitgefahren, um die Billardatmosphäre hautnah mitzuerleben. Natürlich verglich ich schon beim Entree den Turniersaal mit der mir vertrauten Schachkulisse. Und ich wurde direkt stutzig: Wohlige Musik rieselte durch die vollbesetzte Halle, die tatsächlich weiterlief, während die Matches begannen. Unten die schweigenden, sich konzentrierenden Meister, oben auf den Rängen die gebannten Zuschauer, die sich tatsächlich ( wenn auch leise) unterhalten konnten. Keine Konzertbesuchpeinlichkeitsatmosphäre beim Aufreißen einer Cola-Dose oder ähnlichen „Störgeräuschen“, stattdessen eine zwanglose Konzentriertheit, die sich bei gelungenen Stößen durch „begeistertes“,unaufdringliches Fingerschnippsen entlud. So konnte ich den Erklärungen meines Schwiegervaters aufmerksam folgen, ohne dass irgendein Spieler sein obligatorisches
„R U H Ä !!“ oder ( bei schlechter Stellung)
„ S C H N A U Z E !! „ durch den Saal brüllte.
Ich fühlte mich wohl.Auffallend auch die „kultivierte“ Kleidung der Spieler ( sorry, ich werde alt) und die Ästhetik der Bewegungen, die durch äußerste Selbstdisziplin und Konzentriertheit geschaffen wurden. Auch nach offensichtlichen „Patzern“ begab sich der Spieler mit „Stil“ zu seinem Sessel, um sich die Bemühungen seines Kontrahenten (neidlos?!) anzuschauen.
„Ein ehrlicher, charakterfordernder Sport“ , dachte ich so bei mir , als ich mir die aktuelle Situation im Spitzenschach (Doping, elektronische Hilfen,Danailov-Scharaden etc) vor Augen führte. Kein „Kiebitz“ konnte hier helfen, auch lautes „Vorsagen“ wäre lächerlich . Beneidenswert. Mein Schwiegervater neigte sich plötzlich zu mir:“ Im Fernsehen gibt es nur noch Pool-Billard, sprich Snooker. Die hohe Kunst DREIBAND-BILLARD ist aus dem Fernsehen verschwunden.“ Sein Gesicht klagend, die Augen zur Festhallendecke gerichtet.
Schon denke ich an „Schach im Fernsehen“ (Pfleger,Hort,Frau Krämer) und zucke zustimmend die Schultern.
Wir fahren zu uns, er fachsimpelt, ich frage und plötzlich fällt mir das vermaledeite SCHACHBOXEN ein, das weltweit für Schlagzeilen sorgte.Da wirft sich eine Randsportart an die mediengeile Boxerbrust, um sich – würdelos – ein Sonnenplätzchen zu ergattern. Verkauft wird die ganze Chose als sensationelle Verknüpfung von Geistes – und Körperkraft.Der Gegensatz von feinsiniger Geistesarbeit und grober Fressenpoliererei kommt beim Publikum (natürlich) hervorragend an.
Mein bescheidener Vorschlag: Bleibt auf dem (schallschluckenden) Teppich! Übernehmt die wohltuende Hintergrundmusik von den Billardfreunden. Es gibt viele Parallelen zwischen den beiden Randsportarten.
Einstein says:Billard ist die hohe Kunst des Vorausdenkens. Es ist nicht nur ein Spiel, sondern in erster Linie eine anspruchsvolle Sportart, die neben physischer Kondition, das logische Denken eines Schachspielers und die ruhige Hand eines Konzertpianisten erfordert.
oder: Raymond Ceulemans(erfolgreichster Billardspieler aller Zeiten) "Karambolage ist Schach auf dem Billardtisch"
Bürgermeisterliches Schach
So lautet die Überschrift eines Kapitels aus einem 1967 erschienenen Büchlein („Lächeln überm Schachbrett“ ) von Martin – Beheim Schwarzbach, der als Autor von „Knaurs Schachbuch“ einen bekannten Schachklassiker schuf.
Ich stieß auf dieses „Lächeln“ eher zufällig, als ich bei einer spontanen Privatinventur in meinem Wohn-(Schach)Zimmer die (Schach)Bücherwand unsystematisch durchfingerte und plötzlich auf einen „Fremdling“ stieß.Ich klappte ihn auf und entdeckte eine Widmung:“ Zur Erinnerung an das Blitzturnier mit Robert Hübner und Raymond Keene.Essen-Katernberg 15.12.1967″ –
Da wäre ich gern dabei gewesen,dachte ich so bei mir, doch potzblitz, mit der Stadt Essen verbinde ich andere Schacherinnerungen. Also blättere ich etwas verlegen weiter, vertiefe und versenke mich allmählich immer intensiver in diese höchst amüsante Lektüre, wobei die illustrierenden Zeichnungen von Erich Grandeit das zu schnelle Weiterlesen charmant verhindern…
Möge der geneigte Leser folgende Kostprobe genießen:
„Bei einem Schachturnier im Münsterland passierte folgende erbauliche Geschichte:
Erwartungsvolle Stille im Saal, wo die Spieler an den langen Tischen einander gegenübersitzen: gleich wird der Bürgermeister mit dem ersten Zug am ersten Brett das Turnier um die Meistesrschaft symbolisch eröffnen. Die beiden Spieler am Brett Nummer 1 haben eingewilligt, sich dem ersten Zuge des Stadtoberhauptes zu fügen.
Die Fotografen stehen bereit.
Der Mann des öffentlichen Lebens begibt sich ans Brett Nr.1 und hält eine kurze, launige Ansprache:“Ich habe zwar lange nicht mehr gespielt, es war in der Kriegsgefangenschaft, das königliche Spiel ist ja der klassische Zeitvertreib der Gefangenen, ich bin also nur, was man einen Laien nennt, jedenfalls auf diesem Gebiet, aber den ersten Zug bringe ich schon noch fertig.“ Sprachs und zog.
Alle schauten gebannt aufs Brett: Bauer c7 – c6 !
Verblüffung ringsum. Der Turnierleiter flüstert ehrerbietig:“ Schwarz fängt nie an, sondern Weiß!“ — „Ah, richtig, Weiß fängt an, natürlich, wie konnte ich nur!“ Die Bürgermeisterhand wandert zur anderen Bretthälfte hin und zieht:
“ Bauer e2 – d3 !“
Sprachlose Gesichter.Zum Glück war auf den vielen Fotos, die die Bildreporter schossen, nichts von dem originellen Eröffnungszug zu sehen.“
Unzurechnungsfähigkeit beim Schach
Im Schatten der Weltmeisterschaft in Mexiko begann die neue Saison der Verbandsliga-Niederrhein. Nach meinem Vereinswechsel war ich darauf erpicht, meinen neuen Mannschaftskollegen zu beweisen, dass ich wirklich eine echte „Verstärkung“ bin.
Ein Auftsteiger aus der Verbandsklasse – zudem stark ersatzgeschwächt – trudelte verspätet in unser Vereinsheim. Ich hatte mir in der langen Dürreperiode ein neues Eröffnungssystem als Schwarzer zurechtgelegt und brannte darauf, dies nun erstmals in praxi anwenden zu können. Mein junger Gegner eröffnete mit 1.e4 und ich antwortete – zu meiner eigenen Überraschung – mit 1…c6. Ein alter Reflex war mir aus dem Ärmel gerutscht, und schon kriselte es in mir. Also ein wenig Caro-Kann, dann Abmarsch in die Moderne Verteidigung, und schon trottete ich auf (halbwegs) bekannten Wegen. Zu meiner Freude vermied mein Gegner jegliche Exkursionen in gefährliche Gebiete, sondern hielt sich brav zurück. Zeit für eine Kaffeepause und einen genüßlichen Blick auf die entstandene Landschaft: Stellung nach:
1. e4 c6 2. d4 g6 3. Nc3 Bg7 4. Nf3 d6 5. h3 Nd7 6. Bc4 e6 7. Be3 d5 8. Bb3 Ndf6 9. Qd3 Ne7 10. O-O-O b5 11. e5 Nd7 12. Ne2 Nb6 13. g4 a5 14. a3 Ba6 15. Qd2 Weiterlesen
Es ist ein Meister vom Himmel gefallen
Letzten Sonntag.Dachterrasse.Ich liege auf meiner Liege
und sonne mich in der Sonne.
Am niveaballblauen Himmel schweben – wie oft am Wochenende –
kleine Farbtupfer, die pendelnd und kreisend langsam
nach unten sinken und schließlich dem Blickfeld
entschwinden.
Ich genieße diese kontemplativen Himmelsszenen, die der
benachbarte Segelflugplatz regelmäßig bietet auch wegen
der dramatischen Unterbrechungen, dem Geknatter der sich
öffnenden Schirme und vor allem – wegen der mannigfaltigen
(Lust-)Schreie der Jungfernflieger, die auf die Besonderheit
ihrer Situation hinzuweisen scheinen.
Ich stelle mir leibhaftig vor, wie es sich anfühlen mag,
wenn jemand wie ich z.B. in der geöffneten Flugzeugtür
sitzt und aus 4000 m Höhe nach unten starrt und in selbiger
Sekunde hinausgeschubst wird…
Ich schaute zurück in mein Buch, das ich schon zum
zweiten Mal genießen wollte ("Nachtzug nach Lissabon")
und merkte plötzlich, wie das Thema des "Nicht gelebten
Lebens", das den Protagonisten nach Lissabon treibt,
kristallklar, knatternd und schreiend über meinen
Augen inszeniert wurde.
Die Vorstellung, das Schachspielen durch eine andere
Passion ersetzen zu können, waberte schon länger
in meinem Hirn, zumindest die Vision, die kostbare
Freizeit nicht so intensiv mit dieser verdammten Droge zu
verplempern. Ich schaute genauer hin:
Im Turnierschach kein wirklicher Fortschritt
Krach mit dem alten Verein,
Unmengen von Internetblitzpartien, die ich verloren habe,
oder aber gewonnen habe, – um mir dann unflätige
Beschimpfungen anzuhören…
Da hilft wahrscheinlich nur der kalte Entzug!
– So habe ich die letzten Tage
schachfrei genossen, kein Blitzen , kein Sitzen, …
Und dann erhielt ich eine mail, in der mir ein alter
Schachfreund mitteilte, dass er am Sonntag in meinem Ort
war, jedoch keine Zeit hatte, bei mir vorbeizuschauen,
da er auf dem Flugplatz einen Termin hatte…
Ich drängte ihn, mir
einen detaillierten Bericht zu schicken, wohl wissend, dass
er großartig erzählen kann und somit meinen blog für
diesen Monat retten kann. (Mir fiel wegen der Sinnkrise
wirklich nichts mehr ein).
Da er im Jahre 2006 VERBANDS – MEISTER
des INDUSTRIEGEBIETS wurde, war auch die Frage
nach der Überschrift zu diesem Bericht schnell
geklärt.
Danke ULF!!
Ulfs Bericht:
Frühjahr 2006: Beschluss mit besagter Freundin des Projektes Fallschirmsprung – natürlich in einer Bierlaune.
Herbst 2006: nach monatelangem Festhaltem an dem Beschluss (jeweils in Bierlaunen) ohne Konkretisierung gibt es aufgrund des Wetters keinerlei Möglichkeit mehr zu springen.
Frühjahr 2007: besagte Freundin kümmert sich. Eine gemeinsame terminfindung gestaltet sich ziemlich schwierig, zudem ist der Flugplatz "in der Nähe von Neuss" Wochen im Voraus ausgebucht. Als Termin springt letztlich der 15.7., 18 Uhr, heraus.
15.7., 16:30 Anruf am Flugplatz, ob der Sprung statt findet. Wegen einer angesagten Gewitterfront aus Westen wurden die Chancen auf 50-50 geschätzt, wobei der Rest des Abends absolut sonnig blieb.
16:45: Abfahrt in Düsseldorf, es fährt ihr durch einen Bandscheibenvorfall nicht springfähiger Lebensabschnittsgefährte und hatte seine Kamera am Start, mit der er diverse Megabytes Fotos anfertigte.
17:30 – Ankunft Flugplatz, wir werden darauf hingewiesen, dass ohne Barzahlung kein Sprung statt findet.
17:45 – Ankunft Sparkasse, Grefrath City, um diesen Missstand zu beheben.
18:00 – Wiederankunft Flugplatz. Der 18Uhr-Sprung ist gerade abgeflogen, wir werden zwei Sprünge später um 19 Uhr eingeplant.
18:05 – Sitzen in der Flugplatz-Gaststätte und Verfolgen des bunten Treibens der Eingeborenen. Es kommt erschwerend hinzu, dass das angedachte Bier nicht statt finden darf, weil man bereits einen Schrieb signierte, bei dem man angab, diverse Krankheiten wie Organstörungen, Rückenprobleme, psychische Unregelmäßigkeiten und vieles mehr nicht zu haben, sowie innerhalb der letzten 12 Stunden keinerlei Drogen- oder Alkoholkonsum betrieben zu haben. Dumm gelaufen.
18:10 – ich bemerke einen perversen Hunger, da ich zu jedem Zeitpunkt an diesem Tag noch keinerlei Nahrung in mich schaufelte. Ich wollte nichts drin haben, das eventuell unfreiwillig wieder raus will…
18:45 – wir werden endlich aufgerufen und lernen unsere Sprungpartner kennen. Es handelte sich nämlich um Tandemsprünge, einzeln darf man erst springen, nachdem man diverse Kurse und eine gewisse Anzahl an Tandemsprüngen absolviert hat. Mein Sprungpartner ist ein Niederländer, aber da ich im Gegensatz zu anderen unseren westlichen Nachbarn eine gewisse Sympathie abgewinnen kann (natürlich nur, solange es nicht um Fussball geht, das versteht sich von selbst!), ist das kein Problem.
18:50 – kurze Einweisung anhand von Bildern und Erklärungen: auf keinen Fall beim Sprung am Flugzeug irgendwo festhalten, Hohlkreuz bilden und geniessen. Nach Öffnen des Schirms die Gurte an den Leisten ein wenig lockern, sodass man fast wie in einer Schaukel sitzt. Wieder geniessen. Bei der Landung Hände ich die Kniekehle, Füße hoch und mit dem Allerwertesten zuerst den Bodenkontakt vollziehen – fast analog zu dem, wie man es beim Weitsprung lernte.
18:55 – der unangenehmste Teil des Projekts. Man wird in einen schicken, schwarzen Fliegeranzug gesteckt und mit zig Gurten versehen. Bei den herrschenden Temperaturen durchaus kein Zuckerschlecken.
19:00 – die winzige Maschine rollt an, es passen so gerade eben der Pilot sowie drei Sprungpaare (Springerpaare) rein, die allesamt verrenkt auf dem Boden sitzen dürfen. Das dritte Paar enthielt als Novizin im Übrigen eine Frau, die durchaus mehr Lebensjahre auf dem Buckel hat als der Schachneurotiker.
19:05 – wir sind in der Luft und der Niederländer zeigt mir die Sehenswürdigkeiten – den Borussiapark in Mönchengladbach, die A61, die Maas, Venlo, Roermond und sagt dann auf 1500m Höhe, dass er ungefähr hier die Reissleine ziehen wird.
19:10 – ich werde angehalten, die Kappe samt Schutzbrille aufzuziehen und höre zig Geklicke von den Karabinerhaken, die bis zu zweieinhalb Tonnen halten sollen, nachdem ich mich auf den Schoss meines Sprungpartners setzen durfte. Sämtliche Gurte wurden ziemlich fest angezogen, ich kam mir schon etwas wurstig vor.
19:15 – der Flieger ist bei 3900m, das heruntergelasse Rollo, das die Tür des Fliegers ersetzte, wurde hochgemacht und das direkt davorsitzende Paar mit der älteren Frau war entschwunden. Zum selben Zeitpunkt machte ich mir Gedanken darüber, dass eigentlich Nervösität vorherrschen sollte, das solche aber nicht statt fand. Das machte mich irgendwie schon nervös.
19:16 – wir robbten zur Tür, saßen kurz auf der Kante, ich ging ins Hohlkreuz und plötzlich wurde uns der Boden unterm Arsch weggezogen. Ein absolut irres Gefühl, das sich nur schwerlich final beschreiben lässt und man einfach erlebt haben muss. Mit keinerlei Achterbahn oder Sonstigem zu vergleichen. Gigantische Kräfte wirken auf einen bei knapp 200km/h ein und es herrscht ein Gefühl unendlicher Freiheit vor. Wohlwissend, dass sie limitiert ist. Einer meiner ersten Gedanken in der Luft war die Frage, welcher Mensch wohl als erstes auf die Idee gekommen ist, aus einem Flugzeug zu springen (Wikipedia gibt Aufschluss, wie ich mittlerweile weiss). Interessant ist es wohl, dass die weit unten liegende Erde trotz der Geschwindigkeit gar nicht näher zu kommen schien, obwohl sie mehrere Kilometer näher kam.
19:16:41 – mein Sprungpartner zieht die Reissleine, der Schirm öffnet sich, ohne den vermuteten extremen Ruck, sondern eher relativ geschmeidig. Zu meiner Überraschung erkannte ich sofort den Flugplatz unter uns und machte mich daran, die Gurte an den Leisten zu regulieren, um etwas bequemer "sitzen" zu können. Die Gleitphase als solche ist sehr angenehm, allerdings auch vergleichsweise unspektakulär. Mein Sprungpartner steuerte den Schirm sehr gewieft, sodass wir noch ein wenig hin und her schwangen und mehrfach die Richtung wechselten, während die Erde jetzt trotz der deutlich geringeren Geschwindigkeit relativ schnell auf uns zu kam.
19:20 – wenige Meter vor dem Boden schienen wir deutlich langsamer zu werden und ich tat alles für die Arschlandung, so wie mir geheissen. Zu meiner Überraschung schrie mein Partner dann "Fußlandung! Tu die Füße zuerst auf den Boden" und ich tat das automatisch und stand dann mit beiden Füßen fest auf dem Boden, ohne umzukippen, gar ohne Schwankung oder Ausfallschritt. Der wurde erst nötig, als der Schirm hinter uns aufkam, der zog ein wenig nach hinten, sodass man das ausgleichen musste. Die Landung war also extrem entspannt und unglaublich einfach. Danach wurde alles abgeschnallt, ich quetschte mich aus meiner zweiten Haut und gesellte mich zu unserem Fotographen, der dankenswerterweise bereits drei Weizen orderte. Ein Weizen, wie noch keins zuvor geschmeckt hat.
03:00 – ich liege trotz großer Gesamtmüdigkeit seit Stunden im Bett und kann nicht schlafen, weil ich immer noch total aufgewühlt bin.
Nicht ganz unerwähnt lassen sollte man vielleicht die Tatsache, dass ich eigentlich durchaus unter Höhenangst leide. Von jedem Geländer, das mir nicht mindestens zur Schulter geht, halte ich mindestens einen Meter Abstand, selbst wenn es sich nur um den ersten Stock handelt. Angst spielte sich aber während des gesamten Projektes nicht ab – vor dem während des Weizengenusses umherspringenden Hund hatte ich mehr Angst…
Fazit: ich kann jeden Menschen verstehen, für den ein solcher Sprung grundsätzlich nicht in Frage kommt. Allen anderen kann ich aber nur dringstens empfehlen, es einmal zu tun. Ein irres Gefühl, das ich nicht missen möchte. Ich bin mir auch vergleichsweise sicher, dass das nicht mein letzter Sprung war
Mit Läuferpaaren spreche ich nicht
Gehören Sie auch zu den strategisch-geschulten Sportsfreunden, die am Rande eines Turniers auf die Frage, ob Sie bald dem unvermeidlichen Remis zustimmen werden, entrüstet hochfahren:“ Wieso, ich habe doch das LÄUFERPAAR!!“ Schwer haben es in der Regel die kauzigen Gesellen, die sich gern das SPRINGERPAAR „andrehen“ lassen. Ich gebe zu, dass ich ebenfalls die Gäule ins Herz geschlossen habe und oft angestrengt bemüht bin, mein (Schach-) Feld so zu beackern, dass sie sich wohlfühlen können
Außerdem bin ich davon überzeugt, dass Springer vom Charakter her ein großes Humorpotenzial in sich bergen.(Ist nicht das „erstickte Matt“ die Höchstform einer Schachkomödie? – oder das Mattsetzen mit König und einem Springer gegen König plus Randbauer?) .
Das hochgelobte Läuferpaar kann sich (im Unterschied zum Springerpaar) nicht gegenseitig decken. Boris Spasski sagte nach seiner ersten gescheiterten Ehe: “ Meine Frau und ich, wir waren wie zwei ungleiche Läufer…“
Wenn ich meine Lieblingspartien aus der Meisterpraxis sichte, dann stelle ich fest, dass sehr oft regelrechte Springereskapaden die Würze für meine Bewunderung lieferten.
Ein seltener Glücksfall ereignete sich in folgender Partie,die die Kiebitze in stille Heiterkeit versetzte und auch dem Unterlegenen schließlich ein amüsiertes Schmunzeln abrang.
Weiß: E.Bogoljubow Schwarz: L.Schmid
Deutsche Schachmeisterschaft Bad Pyrmont 1949
(Anmerkungen sinngemäß zitiert aus dem Buch“Die besten Partien deutscher Schachgroßmeister“, Falken Verlag,1983).
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6 4.d4 exd4 5.Sxd4 Der junge Lothar Schmid hatte tags zuvor beim Frühstück von Meister Heinicke eine Anregung aus Hamburger Schachkreisen aufgeschnappt, die ungewöhnlich und frech – und auch irgendwie spielbar erschien
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Verschlagwortet mit bogoljubow, lothar, schmid, springereskapaden
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