Schach in Zeiten von Corona – Eine Passionsgeschichte

Als passionierter Schachspieler, der liebend gern am Brett seine Herausforderungen sucht, ist Corona natürlich eine Hürde, eine lästige Einschränkung. Eine ganze Saison wurde ausgesetzt (Verbandsliga Niederrhein),und dann – endlich – wieder fortgesetzt. Der letzte Mannschaftskampf brachte eine Wende :Mit Impfnachweis und Maske konnten wir unsere Passion wieder aufnehmen. Lediglich beim Pausieren (Toilette,Herumspazieren an der frischen Luft ) durfte die Maske abgenommen werden. Die Freude über die wiedergewonnene Passion war größer als die stundenlange Maskerade am Brett. Es funktionierte gut. Ich kämpfte 6 Stunden lang (vergebens), war trotzdem zufrieden .

Zur nächsten Runde erhielten wir noch rechtzeitig die Mitteilung, dass „die Maskenpflicht am Brett entfällt“ .

Nach Rücksprache mit dem LSB ist mit der Landesregierung geklärt, dass beim Sport das Tragen einer Maske nicht praktikabel ist. Da dies für alle Sportarten gilt – die im LSB organisiert sind – entfällt die Maskenpflicht am Brett! Aktualisiertes Hygienekonzept für die Ebene des Schachbundes NRW (Stand: 04.01.2022)

Ja, Schach ist Sport . Darüber mag sich jeder Turnierschachspieler freuen. Doch die Finesse, dies (unreflektiert) „auszunutzen“, um den Spielbetrieb wieder ungehindert ans Laufen zu bringen , finde ich unverantwortlich.

Da sitzen sich 16 Unmaskierte stundenlang gegenüber und lassen die Aerosole tanzen. Wir atmen die Luft ein, die der Gegner ausatmet – und umgekehrt, und das an allen Brettern!

Ich befürchte, dass die unselige Spaltung der Gesellschaft nun auch in kleinteiliger Form die Impfbefürworter befällt. Wer läßt schon gern die Mannschaftskollegen im Stich ?

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Endlich wieder ein Brett vorm Kopp

Oh what a feeling ! Nach langer Pause wieder eine Turnierpartie ohne Internetverbindung: Mannschaftskampf gegen den Düsseldorfer SV. Die letzte Begegnung mit diesem Klub gab es in der Anfangsphase der Coronakrise (Februar 2020). Damals machten wir noch Witzchen über Begrüßungsrituale (mit den Füßen – wie bei den Japanern) und – haha – die Empfehlung, unriskante Opferpartien zu zelebrieren ( Der Gegner würde nicht wagen, die geopferte Figur anzufassen). Der Spaß ist längst geglättet.

Maskiert mit Passierschein (Impfnachweis) betrete ich den Turniersaal, gleichzeitig die Heimstätte für den örtlichen Schützenverein. Es tut gut, die Mannschaftskollegen wieder zu sehen. Ich habe den Eindruck, wir sehen , wie wir zwischenzeitlich gemeinsam gealtert sind…Es kann losgehen. Fäuste touchieren einander und wünschen „ eine schöne Partie“. Nach den ersten Eröffnungszügen mal kurz an die frische Luft , um die Maskenfreiheit zu genießen. Auf einmal kommt ein Trupp von Schützenbrüdern auf unser Spiellokal zu. Eine ganze Garnison nimmt Aufstellung und bittet höflich um Einlaß. Eine Abordnung betritt den Spielsaal, um eine Standarte aus der Requisitenkammer zu holen. Irritation und Amusement bei den Spielern. Ach, wie hat uns diese Art der bodenständigen Kultur gefehlt !

Unsere Gegner bleiben taktvoll , haben Verständnis.Der Kampf endet wohlgefällig mit einem Sieg für uns, was uns die geteilte Tabellenführung einbringt.Mein freundlicher Opponent erinnert mich nach der Partie daran, dass wir „damals“ gemeinsam im Unischachklub Düsseldorf aktiv waren. Freude! Sofort fallen einem Anekdötchen in den Schoß: Simultanevents mit Peter Ostermeyer und Hajo Hecht . Es war zur Zeit der RAF, als ich Obmann des Unischachklubs war. Da wir keinen Schrank für die Schachmaterialien in der Uni hatten und ich nicht immer das ganze Zeug in meine Wohnung (4.Stock) schleppen wollte, blieb nur der Kofferraum meines VW -Käfers als Aufbewahrungsort. Meine Ausflüge Richtung Niederlande (billiger Tabak, Flohmarkt etc) wurden in der Zeit einmal jäh gestoppt, als die Grenzer mich baten, den Wagen zu verlassen und einen Halbkreis um das Gefährt bildeten. Dann forderte man mich auf , den Kofferraum zu öffnen. Es war eine stille Spannung in der Luft, und ich hörte auf einmal sehr deutlich das Uhrwerk meiner zahlreichen Schachuhren ticken. Dies konnte ich dann – mit einiger Mühe – aufklären. Seitdem bin ich auf freiem Fuß!

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Der Fachmann staunt und die Laiin…

Hätte ich vor einigen Tagen Besuch von einem Mitarbeiter der IHK erhalten, sähe die Überschrift gediegener aus , und ich müßte mich nicht umständlich mit der Genderei beschäftigen. Also Korrektheit erarbeitet und beinahe den Humor verloren.

Eine nette Dame von der IHK besuchte unsere kleine Buchhandlung vor einigen Tagen, die flankierend unsere Aktion zur Leseförderung von Kindern begleitet hatte . In Kooperation mit dem örtlichen Bioladen, der ebenfalls einfallsreich und durchdacht die Kinder in die gesunde Ernährung eingeführt hatte, wollten wir den Kindern Alternativen zu den herkömmlichen Konsumgewohnten anbieten. Der gute Karsten und ich empfingen also die Dame , um eine Nachbetrachtung anzustellen. Wir standen vor unserem Schaufenster und parlierten über die Nischen und Chancen, die wir als Einzelhändler in unserem Ort wahrnehmen.

Ich zeigte ihr ein Demobrett , das groß und schön und gelbschwarz hinter der Schaufensterscheibe eine Schachstellung darstellte. Bevor ich ihr näher erklären konnte, dass ich alle 2 Wochen eine neue Diagrammstellung aufbaue, die jeweils ein MATT in 2 ZÜGEN verlangt, wedelte sie schon abwehrend mit ihren Händen, unterbrach mich und sagte:“ Also mit Schach hab ich absolut nix zu tun.Da hab ich überhaupt keine Ahnung.“

Kleine Unterbrechung: Ich mußte kurz einen Kunden bedienen und enteilte geschwind. Dann zurück, um das Gespräch fortzusetzen. Biohändler Karsten, ebenfalls Schachfreak und erfahrener Turnierspieler , war eifrig dabei, ihr die Lösung des Schachproblems in verständlicher Form aufzuzeigen. Ich staunte nicht schlecht, als er resumierte:“ Also Weiß zieht 1. Th5 und dann im nächsten Zug ist Schwarz matt. Ich grätschte möglichst taktvoll dazwischen:“ Das geht nicht, Schwarz nimmt einfach den Bauern g4 , und matt ist nicht zu sehen.“ „Ach so“, stimmt, „sagte er:“ ich muß den anderen Turm nehmen, dann…“ Ich unterbrach: „ Nein, das geht auch nicht!“ Die nette Dame von der IHK lehnte sich etwas vor und sagte:“ Turm g7 ! „.

Einige Tage später per Telefon fragte ich nach, ob sie uns auf den Arm genommen hätte, ob sie nicht doch eine geübte Schachspielerin sei. Sie verneinte. So bin ich genötigt , sie als LAIIN in die Überschrift zu setzen.

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Fernschach als Abstandshalter

F E R N S C H A C H

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Rettung lauert überall – Bullet Schach

Schach im Netz erfreut sich großer Beliebtheit, auch eine positive Auswirkung der Pandemie. Die Schachfreaks, die sich in ihrer Randsportecke schon seit vielen Jahren eingerichtet hatten, erleben eine Euphorie , die sich allerdings hauptsächlich in den Medien abspielt. Der gemeine Schächer hat sein Spiellokal schon lange nicht mehr von Innen gesehen , abgesehen von einigen ambititionierten Versuchen der Vereinsorganisatoren, entsprechende Schutzvorkehrungen zu installieren.Natürlich ist Onlineschach eine attraktive Alternative, die keiner missen möchte. Doch wie jeder weiß, ist die Gefahr des Cheatens allgegenwärtig , Fluch und Segen der übermächtigen Maschinen.

Wenn ein Gegner mit schwacher DWZ mit gutem Spiel gegen mich gewonnen hat…Wenn ich überraschend gewinne und dazu noch mit einer herzerfrischenden Kombination, die auch ein Amateur schon mal hinkriegt, ja dann…Vertrauensvorschuß ist ausverkauft!Also bleibt – für mich – nur das vermaledeite Bullet-Schach mit 1 Min Laufzeit , um sicher zu gehen, dass wohl jeder Cheater letztlich durch Zeit verlieren würde. Natürlich sind die Partien kaum mit normalen Turnierpartien vergleichbar – und das ist gut so.

In zigtausend Partien habe ich sowohl skurrile Eröffnungen, wie auch ebenso skurrile Kommentare von Kombattanten erlebt. Die erste Lektion , die man erlernen sollte, ist wohl Grundvoraussetzung, um dieser „Sportart“ treu zu bleiben. Sie lautet: Sei nicht beleidigt, wenn du beleidigt wirst:“(Bravo Engine!“ – „Antischach!“ „Lagger“ – „Run away chicken“„Looser“ (noch keiner hat es orthografisch präzisieren können).

Das ist der Preis, wenn du mit „Glück“ gewonnen hast. Ich schweige dezent

Wer permanent ein Rematch verlangt, bis er endlich mal eine Partie gewonnen hat, der verdient, ebenfalls ignoriert zu werden.

Viel schöner sind Kommentare, die zu Herzen gehen.“Bitte kein rematch verlangen, ich möchte erst meine Partie analysieren!“ oder:“Danke vielen Senior für Schach mat mit respekt“.Leider gibt es viele Spieler, die ihren Namen und auch ihre Herkunft nicht veröffentlichen. So rätsel ich manchmal, wer so nette Sätze schreibt.

Nach des Tages Last und Müh ist Bullet auch eine Mülldeponie, wo man seinen (Seelen)-Müll abladen kann. Ein paar „glückliche“ Siege gegen vermeintlich Stärkere , eine geglückte Flucht mit dem nackten König im Zickzack durch die Felder, allen Schüssen (Bullets) ausweichend, ins Remis gerettet durch Zeitüberschreitung des Jägers oder durch Patt, das baut auf, das ärgert den Gegner, das tut gut.

Hier ein Beispiel, in dem der „Jäger“ seinem Ärger nicht Luft macht, sondern – wie ein Gentleman- schweigt .

Wer sich für die Droge Bullet Schach interessiert und Urlaub vom „normalen“ Schach nehmen möchte, dem empfehle ich das unterhaltsame Buch von Hikaru Nakamura and Bruce Harper „Bullet Chess“ One Minute to Mate

Wer meine DWZ runterprügeln möchte , kann mich gerne herausfordern.Bei schach.de Künstlername : habäidä . Für jüngere Eleven: Der Name ist eine Verbeugung vor Vlastimil Hort, der in den Sendungen mit Helmut Pfleger gern kommentierte ( Habe Idee!)

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Hängepartie

Ich brauch keinen Scherong , das Turmendspiel ist klar gewonnen.“

Mit dieser schroffen Reaktion watschte unser Spitzenmann den Spieler (Brett 7) ab, der seine Hängepartie vom Vereinsmeister analysieren ließ und sich dazu hinreißen ließ, darauf hinzuweisen, dass er den Cheron in seinem Schachbuchbestand habe, der damals – wir sind in den 80 er Jahren – die Endspielbibel schlechthin war.

Der Mannschaftskampf endete vorübergehend mit 3,5 : 3,5 und nun – nachdem die Partie von Neumann (Name geändert) nach 40 Zügen abgebrochen wurde und eine Woche später fortgesetzt werden sollte. Sein Abgabezug wurde vom Meister nur leicht getadelt („ Na ja , immerhin macht er nix kapputt“). Ein kompliziertes Turmendspiel blieb als Rest, das unbedingt gewonnen werden mußte, um die Aufstiegschancen zu wahren.

Der Meister diskutierte mit 2 Mannschaftskollegen (Brett 2 und 3), die zum engeren Kreis gehörten, jedoch nur wenig von ihrem Mitspracherecht Gebrauch machten. Neumann stand neugierig und erschöpft in gebührendem Abstand und lauschte den Ausführungen desMeisters, die er zu verstehen suchte. Zwischenzeitlich drehte der Zampano sich ruckartig zu ihm um , hob drohend den rechten Zeigefinger und ermahnte ihn:“ Und auf jeden Fall, bleib im Quadrat! Kein Turmtausch, bleib ganz ruhig.Du stehst positionell auf Gewinn!“ Die Sekundanten nickten beifällig , fixierten den Lernenden und fingerten illustrierend übers Brett. Plötzlich erschien Schachfreund Schuster (Name der Redaktion bekannt) aus dem hinteren Feld und mischte sich ein (Bierflasche in der Hand):“ Turmtausch gewinnt sofort, Neumann kann durch einen Dreiecksmarsch die Opposition gewinnen, und der Fisch ist geputzt. Ohne Turmtausch kann er nicht gewinnen.“ „Unsinn!“ brüllte der Meister, der nun aufsprang und seinen Stuhl nach hinten stieß. „ Ihr habt wirklich keine Ahnung. Ich habe schon in der NRW – Liga gespielt und war auch dort sehr angesehen als Endspielspezialist. Schuster bleib bei Deinen Leisten. Wo spielen Sie nochmal? Bezirksklasse oder Kreisklasse?“

Unruhe kam auf. Auch andere Spieler mischten sich ein. Es kam zu einem heftigen Streit zwischen den „Königstreuen“ und dem Patzervolk.

Neumann war völlig verwirrt und ging ratlos und benommen nach Hause. Er verbrachte die Abende bis zur Wiederaufnahme der Partie an seinem Analysebrett, nahm auch den Cheron zur Hand, suchte krampfhaft nach ähnlichen Stellungen, wurde nicht fündig – und verließ sich letztlich auf sein Schachverständnis und sein Positionsgefühl.

Die ganze Woche nagte an ihm, er schlief schlecht, war gereizt – und sehnte sich nach dem Abschluß der ganzen Geschichte.

Hängepartie

Sein Gegner begrüßte ihn freundlich, die Umschläge wurden vom Turnierleiter geöffnet und kontrolliert. Die Uhr des Gegners wurde in Gang gesetzt. Neumann holte sich einen frischen Kaffee von der Theke und ging entschlossen zu seinem Tisch. Er vergewisserte sich, dass er genügend Proviant in seinem Rucksack eingepackt hatte: Ritter Sport Nuss, 2 Bananen , 1 Würfel Dextro Energen (für alle Fälle) und 2 Wurstbrote in der Metalldose.

Sein Gegner dachte immer noch nach, war vielleicht von Neumanns Abgabezug überrascht – oder tat er nur so? Schach ist Poker, ist auch manchmal Bluff . Neumann hatte den Abgabezug auf seine Art gemacht: Er hatte das Partieformular in der Mitte gefaltet , seinen Stift genommen und sich umgeschaut, ob denn die Umstehenden auch die vorgeschriebene Diskretion einhalten und sich wegdrehen. Dann schrieb er Ta5 , das heißt er hatte das T nur fingiert, nur als Luftlinie einen Strich nach unten und dann den oberen Balken hinzugefügt. In Wirklichkeit hatte er einen Bauernzug eingetragen in der Hoffnung, dass irgendein Schlaumeier ihn doch aus dem Augenwinkel beobachtet hatte.

Sein Gegner zog nun endlich, bot den Turmtausch an und – bot gleichzeitig Remis an!

Neumann —- —– nahm an.

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Gartenschach

Einmal im Jahr ist Gartenturnier in meinem Heimatverein (Uedemer Schachklub), wo sich diesmal auch wieder ca 30 Schachfreaks einfanden. Zu meiner Freude traf ich dort auch wieder den Ex – Vereinskameraden Stefan R. In der 8.Runde trafen wir dann tatsächlich auch sportlich aufeinander. „Das muß festgehalten werden“ tönten wir unisono und baten einen Sportkameraden, der in der Nähe war, diesen „historischen Augenblick“ fotografisch festzuhalten. Ich reichte ihm mein Smartphone. Er setzte seinen mehrfach benutzten Bierkrug ab und hantierte mit dem Gerät. Stefan und ich schüttelten einander längere Zeit die Hände – wie bei Staatsbesuchen – und warteten lächelnd auf den Schuß. Klack ! „Na hat doch geklappt“ Wir bedanken uns herzlich .Prost!

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Warum ich die Englische Eröffnung fürchte


 Ich gehöre zu den Schachsenioren, die
im Laufe ihrer fast 50 jährigen Karriere eine Unmenge an
Schachbüchern und natürlich auch CDs und DVDs angestapelt hat.
Schwerpunkt Eröffnungen.Als Adoleszent immer auf dem Sprung eine
vorbereitete Eröffnungsfalle (Snosko – Borowski) auszupacken,
später – gereift (?) ein solides Programm zu lernen, um die
Anfangsphase ohne größere Positionsmängel zu überstehen.
Quantitativ bin ich Virtuose, habe fast alles ausprobiert und bin 
immer noch auf der Suche nach meinem ultimativen Eröffnungsprogramm.
 Was ich allerdings nie in Erwägung gezogen habe, ist die ENGLISCHE
Eröffnung, die ich beidfarbig zutiefst verabscheue.

Alle Versuche (als Schwarzer) abzutauchen in einen Altinder oder auch in nebulöse Holländisch – Variationen scheiterten immer wieder an ungenügendem Positionsverständnis, während meine Gegner leichtfüßig ihr Programm abspulten. Ob Turnierpartie, Blitz, Fernpartie oder Bullet, ob Einzelmeisterschaft oder Mannschaftskämpfe …Achillesferse gerissen.

Vor einigen Jahren erfuhr ich den wahren Hintergrund für diese traumatische Behinderung:

Als Buchhändler in einer kleinen Gemeinde, der nebenbei auch Kulturveranstaltungen in seinem Laden organisiert, hatte ich 2017 den Kabarettisten MARCO TSCHIRPKE zu einer musikalischen Lesung überreden können („Frühling,Sommer,Herbst und Günther“). Die Gäste und auch ich waren von seinem Wortwitz und seinen humoristischen Pianoeinlagen restlos begeistert und der vortreffliche Wein rundete das offizielle Programm angemessen ab.

Nun hatte der Künstler beim Apres – Kartoffelsalatessen ein Bild an der Wand entdeckt, das den Schachneurotiker darstellt. Angenehmes Geplauder über Schach und Kunst und Wahnsinn und Genie und weißderteufel , wer kann sich noch erinnern? Tschirpke jedenfalls wollte unbedingt eine Partie mit mir spielen („mit einem richtigen Schachspieler“!) Wir bewegten uns in mein „Schachzimmer“, wo ein antiker Schachtisch – allzeit bereit – stand. Wir saßen uns in bequemen Clubsesseln gegenüber , wie ich es nur aus alten Schwarz-Weiß – Filmen kenne. Es fehlte lediglich der Kamin und Tabakdunst… Wir spielten 2 Partien und parlierten über die wichtigen Dinge des Lebens und lachten entsprechend…Fazit: Er spielte recht gut, jedenfalls besser als ich am Klavier.

Nun kommen wir zum eigentlichen Thema.

Tschirpke schob leise die Figuren ineinander und stellte plötzlich eine glasklare Frage:“ Kennen Sie eigentlich die ENGLISCHE ERÖFFNUNG ?“Oh, ich erschrak. „ Ja, ein wenig , spiele sie allerdings nie!!Da stand er auf einmal auf , nahm Haltung an und sprach:

 ENGLISCHE ERÖFFNUNG

 An einem Juninebeltag
 Sind über die Atlantikwogen
 Bei sanftem Wind und Wellenschlag
 mit Kurs Quebec dahingezogen
 Drei gut französische Fregatten,
 Die ihr Geschwader verloren hatten.

 Dann teilt die Trübe sich.Es bricht
 Der Nebel auf wie in zwei Wände.
 Es öffnet strahlend sich die Sicht
 Aufs ozeanische Gelände.
 Und plötzlich liegt ganz klar und nah
 Die ganze englische Flotte da.

 Nun ja, man trifft sich nicht nur gern.
 Denn George und Louis zeigen gleiche
 Besitzbegier nach jenem fern
 und nahen Vizekönigreiche.
 Man grüßt knapp nach den Anstandsregeln  
 Und will ansonst vorübersegeln.

 Da – Linienschiff für Linienschiff
 Dreht bei und zeigt die breite Seite,
 Als ob ein Artillerieangriff
 Im Todesernst sich vorbereite.
 Der Kapitän von der „Alcide“
 Er denkt: Ich denke, es herrscht Friede.

 Doch ist es wahr: geraume Zeit
 Sind wir auf See, fast vierzehn Wochen,
 Am Ende ist Feindseligkeit
 Zu Haus inzwischen ausgebrochen.
 Er greift zum Sprachrohr: Haben wir
 Krieg oder Frieden, Kavalier?

 Dort, achtern auf der „Dunkirk“,steht
 Der Kapitän auf seinem Flecke,
 Schreit:Frieden, Frieden, Sir! Und dreht
 den Trichter zum Kanonendecke
 und fügt in echt altenglischer Ruh
 Das Kommando: Feuer! Hinzu.

 Der Krieg, der siebenjährige,
 so ging er an, von diesem Platze.
 Und jeglicher seitherige
 Eröffnet mit demselben Satze.
 Man lädt. Und einer brüllt vom Steuer:
 Frieden, Frieden – Feuer! 
 
 
 
 (Ergänzung: Fand statt im Juni 1755.
Die drei französischen Kauffahrer hießen die „Alcide“,
 die „Lys“ und die „Royal Dauphin“)
 
 zitiert aus: Peter Hacks „Hundert Gedichte“ -
 Eulenspiegel Verlag  
 
 
 
 
 
 
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Schachbrettfalter

Der Schachbrettfalter gehört zu einer ein besonders schützenswerten Art .So ging es heute durch die Medien. Doch ist er tatsächlich noch gefragt? Mir scheint, das Berufungssterben hat schon bald den erfahrenen Schachbrettfalter erreicht.

Schaut man sich in den einzelnen Vereinen um, sieht man fast nur noch faltenlose Bretter . Nur noch wenige tiefklassige Recken frönen noch dem Spielbrett, das nicht nur zwei Grundreihen hat, sondern auch eine Mittellinie, die durch eine Falz kenntlich gemacht ist.

Es bleibt die große Sorgen , dass diese Schachbretter vom Turniergeschehen völlig verschwinden, wie auch in absehbarer Zeit die mechanischen Uhren. Ganz zu schweigen von den Partieheften, die betagte Spieler früher zum Eintragen ihrer Glanzpartien in der Glasvitrine ihres Studierzimmers aufbewahrten.

Auch die Kiebitze werden immer seltener . Hängen häufig nur noch im Netz herum …

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Stundenlang sitzt man sich gegenüber

und schweigt sich an. Lediglich das mechanische Bewegen von Holzfiguren und das schriftliche Protokollieren derselben bilden eine kommunikative Brücke.Ein wildfremder Mann mittleren Alters, den ich bislang nie gesehen habe ,hockt wie ich am 8.Brett des Mannschaftskampfs. Die erste Frage , die sich mir stellt:“ Ist er ein Schwächling oder etwa ein „Joker“ , der nur in wichtigen Kämpfen eingesetzt wird, um einen sicheren Punkt einzufahren? Ein flotter Blick auf die Spielberichtskarte unseres Mannschaftsführers nimmt mir deutlich diese Sorge. Er ist wohl meine Kragenbreite…

Nach einem geräuschlosen Shakehands , ohne das handelsübliche „Wünsche eine schöne Partie“ kann das Abenteuer beginnen.

Da ich vor jeder Partie unangemessen nervös bin, zudem noch auf der Fahrt zum Spiellokal durch eine Baustellenumleitung in eine ungewohnte Prärielandschaft gezwungen wurde und dadurch fast zu spät eingetroffen wäre, versuche ich erstmal wieder zur Ruhe zu kommen. Mein Widerpart ist die Ruhe in Person. Er schreibt fein säuberlich die notwendigen Infos aufs Partieformular, schaut auf die Uhr, um das exakte Datum zu notieren und legt dann seinen Stift akkurat zur Seite. Ich vermute, dass der Opponent ein penibler Beamter ist, der sehr stark von Vorschriften geleitet wird. Kaum vorstellbar, dass der ein Gambit spielt, vielleicht mit leichter Überwindung das Damengambit…

Die Sorgfalt und Bedächtigkeit des Spielpartners läßt auch mich allmählich entspannen, zumal die Zugfolge in meinem vertrauten Schottisch einen angenehmen Auftakt darstellt. Wenn ich in „meine“ Lieblingseröffnungssysteme gelange, dann empfinde ich angenehme Heimatgefühle, in denen ich mich zuhause fühle am warmen Ofen sitzend mit Blick auf gesunde (Varianten-) Bäume.

Da ich nicht nur die Holzaktionen auf dem Brett verfolge, sondern auch den Gegner zwischenzeitlich ins Visier nehme, entgeht mir auch nicht, dass er nach seinem Zug immer wieder mal die Augen schließt. Kaum habe ich geantwortet, ist er wieder auf Sendung und betrachtet sorgfältig die neu entstandene Sachlage. Ich bin leicht irritiert, dass er selbst in verschärfter Krisensituation noch die Ruhe findet und die Augen schließt. Ich zittere innerlich, da ich wieder mal mit den Zündhölzern gespielt habe und leichte Panik aufkommt, ich könne selbst in den Flammen umkommen. Meinen nächsten Zug setze ich etwas fester aufs Brett, um eine Art Wirkungstreffer zu setzen. Die Zeit der Meditation und der Versenkung ist jetzt doch wohl vorbei, denke ich… Er taucht auf und beugt sich vor , und zum ersten mal sehe ich so etwas wie Anspannung oder gar Furcht!?

Seine Körperspannung ist auf einmal spürbar. Schließlich nach Abwägen aller Möglichkeiten macht er einen Zug, notiert diesen wie gewohnt in kalligraphischer Manier und schließt die Augen.

Jetzt heißt es den Knockout anzusetzen. Ein Turmopfer – bislang nur schemenhaft angedacht – scheint nun tatsächlich die Entscheidung zu bringen. Ein Blick zur Uhr: Ich habe noch 20 Minuten für 11 Züge, also lieber noch mal in Ruhe nachdenken. Mein meditativer Beamter , hoppla – hat nur noch 5 Minuten. Und nun. Ich höre wohl nicht recht. Doch. Ich höre richtig. Mein Gegner schnarcht. Er schnarcht so laut, dass auch die Spieler der oberen Bretter die Köpfe recken . Ich bin sprachlos. Ein Mannschaftskamerad des Schläfers pufft mit dem Handrücken den Oberarm seines Kollegen, der – nur leicht irritiert – die Partie fortsetzt.

Auf dem Weg zur Toilette frage ich meinen Mannschaftskollegen, wie die Bundesturnierordnung einen solchen Fall beurteilt. „Ich bin mir nicht sicher“, sagt er.“ Ich vermute, die BTO sagt, dass man bis zu einer Anstupstiefe von 2 cm den Spieler aufmerksam machen darf!“

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