Gehören Sie auch zu den strategisch-geschulten Sportsfreunden, die am Rande eines Turniers auf die Frage, ob Sie bald dem unvermeidlichen Remis zustimmen werden, entrüstet hochfahren:" Wieso, ich habe doch das LÄUFERPAAR!!" Schwer haben es in der Regel die kauzigen Gesellen, die sich gern das SPRINGERPAAR "andrehen" lassen. Ich gebe zu, dass ich ebenfalls die Gäule ins Herz geschlossen habe und oft angestrengt bemüht bin, mein (Schach-) Feld so zu beackern, dass sie sich wohlfühlen können
Außerdem bin ich davon überzeugt, dass Springer vom Charakter her ein großes Humorpotenzial in sich bergen.(Ist nicht das "erstickte Matt" die Höchstform einer Schachkomödie? – oder das Mattsetzen mit König und einem Springer gegen König plus Randbauer?) .
Das hochgelobte Läuferpaar kann sich (im Unterschied zum Springerpaar) nicht gegenseitig decken. Boris Spasski sagte nach seiner ersten gescheiterten Ehe: " Meine Frau und ich, wir waren wie zwei ungleiche Läufer…"
Wenn ich meine Lieblingspartien aus der Meisterpraxis sichte, dann stelle ich fest, dass sehr oft regelrechte Springereskapaden die Würze für meine Bewunderung lieferten.
Ein seltener Glücksfall ereignete sich in folgender Partie,die die Kiebitze in stille Heiterkeit versetzte und auch dem Unterlegenen schließlich ein amüsiertes Schmunzeln abrang.
Weiß: E.Bogoljubow Schwarz: L.Schmid
Deutsche Schachmeisterschaft Bad Pyrmont 1949
(Anmerkungen sinngemäß zitiert aus dem Buch"Die besten Partien deutscher Schachgroßmeister", Falken Verlag,1983).
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6 4.d4 exd4 5.Sxd4 Der junge Lothar Schmid hatte tags zuvor beim Frühstück von Meister Heinicke eine Anregung aus Hamburger Schachkreisen aufgeschnappt, die ungewöhnlich und frech – und auch irgendwie spielbar erschien
Und der junge Amateurspieler – vollgestopft mit kräftigen Frühstücksvarianten – packte den Hammer aus:
5… Sxe4 (!?!) Bogoljubow , sichtlich überrascht (schockiert?) verbrauchte sehr viel Bedenkzeit, um die ungewohnte Stellung zu erkunden. Er antwortet schließlich mit 6.Sxc6 , da er die Tabelle anführt und keine Risiken eingehen will.( Ich habe in den herkömmlichen Datenbanken gesehen, dass die Hamburger "Frühstücksvariante" offensichtlich überlebt hat und immer noch die Turniere belebt.) Nun folgt ein wunderschöner Springertanz:6…Sxc3
Haben die Springer etwa die Plätze getauscht?
Weiter gehts:
7.Sxd8 Sxd1
8.Sxf7 Sxf2(?!) Bogoljubow in arger Zeitnot. Der Schachamateur bleibt frech, vermeidet die Remisverflachung durch 8…Kxf7 9.Lc4+ Kf6 nebst c6 und d5.
9.Sxh8 Sxh1
Die Zuschauer haben sich bis jetzt köstlich darüber amüsiert, wie sich die Gäule durchgefressen haben. Nun beginnt ein neuer Akt: Wie kommen die Vielfresser wieder nach Hause?
Bei dieser Rückführung entgleiten dem Altmeister allmählich die Zügel (Zeitnot läßt Pferde scheuen) und verliert …Hier die restlichen Züge:
10. Bd3 Bc5 11. Bxh7 Nf2 12. Bf4 d6 13. Bg6+ Kf8 14. Bg3 Ng4 15. Nf7 Ne3 16. Kd2 Bf5 17. Ng5 $4 Bxg6 18. Ne6+ Ke7 19. Nxc5 Nxc2 20. Bh4+ Ke8 21. Ne6 Kd7 22. Nf4 Nxa1 23. Nxg6 Re8 24. Bf2 Nc2 25. Nf4 Nb4 0-1
Vielleicht hätte Meister Bogoljubow mehr mit seinen Figuren sprechen sollen, so wie es die heutige Schachpsychologie vorschlägt. (Rowson: "Die 7 Todsünden…") Doch so überzeugend wie diese Kommunikationsmodelle auch klingen (" na mein kleiner Springer, wo möchtest du am liebsten hin?") so spekulativ und unsicher bleiben die Ergebnisse (gibts jemals eine ehrliche Antwort?).
Vielleicht hat nur eine Schachfigur jemals zuverlässige Antworten gegeben:
Jawoll, ein Springer…!!
Mr.Ed, das sprechende Pferd !
In den 60 er Jahren lief diese US-Fernsehserie im deutschen Fernsehen. Seitdem weiß ich, mit welchen Figuren eine echte Kommunikation möglich und sinnvoll ist…