Im Jahre 1978 war Baguio City auf den Philippinen Schauplatz des denkwürdigen WM-Spektakels zwischen Karpow und Kortschnoi.Wenn auch die meisten Beobachter erstaunt waren, dass „Viktor der Schreckliche“ einen kompletten Fehlstart mit 1:4 Punkten fabrizierte, so wunderte ich mich nicht im Geringsten …
Etwa 6 Wochen vor Beginn des Kampfes weilte Kortschnoi in Neuß, wo er eine Simultanveranstaltung gab (ebenso wie R.Hübner und Bodo Schmidt). Am Meererhof unter freiem sonnigen Himmel erwartete ein bunt -gemischtes Amateurlager gespannt den WM – Herausforderer. der durch seine Abkehr vom Sovietsystem natürlich der „ideale“ Gegner für den regimetreuen Breschnewliebling Karpow darstellte.
Pünktlich um 14 Uhr erschien der Meister in Begleitung seiner „Sekretärin“ Petra Leeuwerik.
Die Dame seines Herzens platzierte sich alsdann unter ein nahes Sonnendach und schaute eher grimmig als vergnügt auf das farbenfrohe Schachvölkchen, das – wie sich schon bald herausstellte – mit diversen Anfängern durchsetzt war. Auch ich hatte einen Nebenmann, der sich noch schnell nach den wichtigsten Modalitäten des Simultanspiels erkundigte. Ich – als erfahrener Regionalligaspieler – bot ihm spontan „jede erdenkliche Unterstützung “ an, um mich auf mein eigenes Brett zu konzentrieren, das in wenigen Sekunden vom WM-Herausforderer zum erstenmal touchiert wurde. Mir fiel auf, dass er seine Gegnerschaft (etwa 25 Spieler ) ohne den obligatorischen Handschlag begrüßte, sondern einfach loslegte. Vielleicht war er mit seinen Gedanken schon bei Karpow, er schaute grimmig, als müsse er eine lästige Pflichtübung absolvieren. Routiniert und ernst drehte er seine Runden, zog schnell und kraftvoll, irgendwie wurde es plötzlich kühler, wenn er das Brett erreichte.
Mein Nachbar ( der Hilflose) seufzte auf, nachdem der Meister gerade sein Brett verlassen hatte. Irgendwie fehlte eine schwarze Leichtfigur, die der junge Eleve schlichtweg hatte einstehen lassen. “ Nimm diese Partie einfach als Lehrstunde“, sagte ich tröstend zu ihm, als der Meister schon wieder Kurs auf unsere Bretter nahm. Mich bediente er mit einem wenig ambitionierten Zug, der mich einiger Sorgen enthob. Ein lautes „TOCK-TOCK-TOCK“ am Nachbarbrett ließ mich aufhorchen. Der Patzerkollege schaute irritiert, wie der Meister mit seinen Fingerknochen die leere Holzkiste traktierte, um seinem Gegner klar zu machen, dass er bitte (die Figuren) einpacken solle.Mit hochroten Ohren schaute der arme Junge mich an, „TOCK-TOCK“ und ein böser Blick folgten. „Spiel weiter“, sagte ich kurz und knapp“, “ du entscheidest, wann du aufzugeben hast“.
„Viktor der Schreckliche“ knallte einen Zug aufs Brett und stapfte weiter.
Nach etwa 1,5 Stunden gabs dann leichte Turbulenzen in der Gegengeraden: Schon wieder weigerte sich ein Patzer, „rechtzeitig“ aufzugeben. „TOCK-TOCK“.
Ich vergrub mich in meine Partie, angestachelt von dem innigen Wunsch, die Arroganz des Meisters zu bestrafen.
(Nach einigen Recherchen im Netz weiß ich heute, dass Kortschnoi bei anderen Simultanveranstaltungen schlichtweg das Weiterspielen verweigert hat, wenn sein Gegner nicht „rechtzeitig“ aufgegegeben hat,)
Gerade Kortschnoi hat sich den Ruf erworben, schwierige Stellungen mit großer Virtuosität zu verteidigen. Und manchmal helfen auch „Wunder“ , an die man manchmal glauben muß, um doch noch zum Erfolg zu kommen.
Ich zitiere aus seinem Werk“Ein Leben für das Schach“,1978:
„Ende des Jahres 1960 spielte ich zum ersten Male in der Sovietmannschaft auf der Schach-Olympiade.Ich saß am 4.Brett und schnitt toll ab, da ich keine einzige Partie verlor.Dazu bedurfte es eines kleinen Wunders .Ich schaffte es, eine schon ins Endspiel übergegangene Stellung mit einer ganzen Figur weniger gegen einen philippinischen Spieler noch zu retten….Beim letzten IBM-Turnier (1976)gelang es mir, gegen Farago remis zu machen, gleichfalls mit einer Figur weniger…“ usw.
Auch der gemeine Patzer hat das Recht, an „Wunder“ zu glauben, auch wenn ihm jede (spielerische) Grundlage fehlt.
Meine Partie war eher wunderlich, da es kaum glaubhaft erscheint, dass eine WM.- Herausforderer so fehlerhaft spielen kann…
Weiß: Kortschnoi Schwarz: Ich
1. d4 Sf6 2.c4 e5 3.dxe5 Sg4 4.Lf4 Lb4+ 5.Sc3 d6 ?
In einem schon damals vergilbten Euwe-Bändchen von 1965 fand ich ( als Fußnote) eine spannende Variante, die allerdings 5.Sd2 voraussetzt. Ich ignorierte den (groben) Unterschied und war erstaunt, wie harmlos Kortschnoi antwortete.
6.exd6 Df6 ( hier völliger Unsinn. Weoß könnte in aller Gemütsruhe 7.dxc7 folgen lassen. – )
7.Dd2 Lxc3 8.bxc3 cxd6 9.e3 Sc6 10.Sf3 Sge5 11.Sd4 a6 12.Le2 0-0 13.Dc2 Sa5 14.Da4 b6 15.0-0 Sb7 16.Tab1 Sc5 17.Dc2 Tb8 18.Tfd1 Ld7
Mit den beiden Springern läßt es sich – trotz des Minusbauern – ganz manierlich leben.Und der Läufer auf d7 strahlt über beide Brettseiten. …19.Sb3 ?? Lf5
20.Dd2 Se4 0 – 1 (Tock-Tock)
Sichtlich angeekelt gab der Meister auf.
Eine solche Meldung macht Freude. GM Baramidze ist wohl ein echter GENTLEMAN…Das läßt hoffen! Danke „Schachtherapeut“!
Deinem Bericht ist zu entnehmen, dass Kortschnoi noch nicht einmal zu Beginn der Partien den Simultanspielern die Hand gab. Das ist nicht nur unhöflich und Stil-los, sondert degradiert den ‚gemeinen‘ Simultanteilnehmer zu ‚zahlendem Schlachtvieh‘. Das selbe gilt für eindeutige Signale die Partie aufzugeben. Auch das ‚macht man nicht‘.
Bei einer der letzten deutschen Jugendmeisterschaften in Willingen nahm der schrecklich Viktor beim Simultan gegen ein kleines Mädchen sogar einen Zug zurück! Wie peinlich! Auch ein Simultanspieler darf logischerweise keine Züge zurücknehmen. Insofern scheint sein Verhalten in Neuß vor vielen Jahren keine Ausnahme gewesen zu sein, sondern sich eher wie ein roter Faden durchs Leben zu ziehen.
Bei meinem Kommentar mit der Verteidigung von Korchnois Verhalten war ich vielleicht (zu sehr) von der Emotion gesteuert, sodaß ich den Audruck „Deppen“ für die Simultan-Spätaufgeber verwendete, den ich hiermit zurückziehen möchte. Der Hinweis, daß diese immerhin für die Teilnahme bezahlt haben, war wichtig – denn das hatte ich garnicht in Betracht gezogen. Insofern verstehe ich es, wenn sie fürs Geld möglichst viele Meisterzüge sehen wollen, und sei es auch in bereits aussichtsloser Stellung. Aber ich verstehe wie gesagt auch Korchnoi, wenn er „zart“ daran erinnert, daß man aufgeben darf 🙂
Wie in jeder Sportart gibt es auch beim Schach jede Menge Anfänger und talentlose Amateure, die nicht die Fähigkeit haben, die Beschränktheit ihrer Bemühungen rechtzeitig zu erkennen. Sie spielen nicht nur schlecht, sondern analysieren auch schlecht.Und sie geben oftmals auch nicht „rechtzeitig“ auf. Diese „Deppen“ ( wie du sie nennst)sind ausgerechnet bei Simultanveranstaltungen häufig anzutreffen, weil sie gern mit echten Meistern die Klingen kreuzen möchten.Für die Aussichtslosigkeit zahlen sie natürlich Startgeld (Lehrgeld). Vielleicht sollte man hier ähnlich wie beim Boxsport RECHTZEITIG das „Handtuch werfen“, um Schaden vom Meister(!) abzuwenden.
Wer selber mal „Depp“ war, ist vielleicht ein wenig empfindlich… das geb ich gerne zu.
Ich hoffe, mein nächster Blogversuch gefällt dir besser!
Bis jetzt habe ich diesen Blog beobachtet und ganz gerne gelesen, aber wie hier ein Sieg in einer Simultanvortellung gegen einen möglicherweise indisponierten Top-Großmeister abgehandelt wird, ist unsympathisch. Natürlich hat ein KORCHNOI das Recht verärgert zu sein, wenn irgendwelche Deppen glauben, mit einer Figur weniger gegen eine Schachlegende weiterspielen zu müssen! Es gibt schlechte Verlierer, aber auch schlechte Gewinner die ihren billigen Sieg noch auswalzen indem sie nachtreten. Leider habe ich den Eindruck, daß das hier der Fall war. Schade!