Mit 14 hat man noch Träume…

Kürzlich durfte ich im Rahmen einer Offenen Stadtmeisterschaft gegen ein Jungtalent antreten, das ganze 14 Jahre jung ist und schon nach wenigen Turnieren eine DWZ von ca 1760 aufweist. Jeder „Altmeister“ weiß, wie undankbar und vor allem DWZ-schädlich eine solche Konfrontation ausgehen kann, da diese Talente in der Regel ihrer „echten“ Wertungszahl hinterherhinken. Ich selbst hatte in dem zarten Alter mit dem Schachspielen begonnen, indem ich mich mit „Das kleine Buch vom Schach“ täglich in mein Zimmer zurückzog, und auf einem kargen Schachbrettchen ein mühevolles Selbststudium in die Wege leitete. Die harten Worte meines Vaters“ Schach ist viel zu schwer für dich!!“ trieben mich in diese akademische Enge. Heute – nach 40 Jahren Schachpraxis – neige ich dazu, ihm Recht zu geben.

Weiß: Der 14 jährige        Schwarz: Schachneurotiker

1.d4 Nf5 2.c4 d6 3.Nc3 Nbd7 4.Nf3 e5 5.e4 c6 6.Be2 Be7 7.0-0 Qc7 8.Re1 0-0 9.Bf1 Re8 10.b4 exd4 11.Nxd4 Ne5 12.h3 Bd7 13.a4 d5

Hier atmete ich erstmal auf, nachdem der Junge sehr schnell die Eröffnungszüge heruntergeleiert hatte. Der Springer auf e5 stabilisiert sich, da 14.f4? nach Bxb4 schnell verliert. Doch er bleibt besonnen und spielt nüchtern 14.c5  dxe4 15.Nxe4 Nxe4 16.Rxe4 Bf6? ( besser Ng6).17.Bf4 Qc8 16.Ra2 g5 Fesselungsmotive, schwache Grundreihe etc lassen mich notdürftig Reparaturversuche vornehmen.Der Junge spielt so merkwürdig leicht und fast federnd.19.Bh2 Bf5 20.Nxf5(?) Qxf5 21.Rae2  Red8 ??

22.Rxe5! Au weia! Vorher hatte ich dieses taktische Mätzchen noch „ausreichend“ berechnet, nun traf es mich ultrahart. Zum erstenmal verfärbten sich die Wangen des Knaben ( er machte einen gesunden Eindruck). Ich errötete eher auf bedenkliche Weise und griff nach meiner Butterbrotdose, als wenn ich den Eindruck erwecken wollte, dass lediglich eine „Unterzuckerung“ den taktischen Schlag ermöglicht hätte. In Wirklichkeit hatte der Junge mich gerade davon überzeugt, dass er Respekt verdient (nicht nur anerkennendes Schulterklopfen). Ich sortierte mich ein wenig und begann , schneller zu spielen, in der Hoffnung, ihn ein wenig „mitzuziehen“. 22….Bxe5 23.Rxe5 Qxe5 24.Qxd8+ Rxd8 25.Bxe5

Natürlich ist Schwarz verloren, doch noch hoffte ich auf „praktische Chancen“, die sich darauf begründeten, dass beide Läufer noch nicht harmonisch zusammenarbeiten konnten.25…Rd5 26.Bc3 Rd1 27.f3 Rc1 28.Bd2 Ra1 29.Bxg5?  Einfach 29.a5 hätte dem Weißen einiges an unnötigen Störungen erspart. Nun erhalte ich immerhin die Chance, einen (lebenswichtigen) Freibauern zu bilden.29….Rxa4

30.Bd2  Ra2 31.Be1 b6 32.Bd3 bxc5 33.bxc5 Ra1 34.Kf2 a5 35.Be4 a4 36.Bxc6 a3 sieht nach Remis aus 37.Bd5 Rc1? 38.c6 a2 Hier zog mein junger Gegner sein Sweatshirt über Kinn und Nase, als wolle er abtauchen oder einer Gefahr ausweichen.Er wurde unruhig, leichte Zeitnot hatte sich zudem eingeschlichen.Wir waren uns offensichtlich auch nicht einig, wer hier tatsächlich auf Gewinn stand. Diese beidseitige Unsicherheit läßt fortan das entstandene Endspiel wie ein herrenloses Floß davontreiben.39.Bxa2 Rc2+ 40.Ke3 Rxa2 41.Kd4 Kf8

42.Kc5? Hier hätte er wieder gradlinig Kurs aufnehmen können mit. 42.c7 Ra8 43.Kd5 Ke7 44.Kc6 Rc8 45.Bb4+ Ke6 46.g4 f6 47.Bc3! mit glattem Gewinn).42.Ke8  43.Bh4 Rxg2 44.Kd6 Ra2 45.Kc7 Ra3  46.Kd6

46… Rxf3???  .. Den einfachen Gewinn 46…. Rd3+ 47.Kc7 Rxf3 48.Kb7 Rb3+ 49.Ka6 Rxh3 50.Bf2 Rc3 51.Kb7 f5 sollte man nach 40 Jahren Training doch entdecken, zumal der Textzug vor Einfallslosigkeit schreit.47. c7 Rc3 48.Bf2 Rd3+ 49.Kc6 Rc3* remis

Insgeheim hoffe ich, dass zumindest mein Unterbewußtsein korrekt gearbeitetet hat und mich daran gehindert hat, einen unverdienten Punkt einzufahren, so wie ein gefoulter Fussballspieler, der den Elfmeter in die Wolkern drischt, weil er weiß, dass er unberechtigt war.

Schach ist ein gerechtes Spiel – in the long run..

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2 Antworten zu Mit 14 hat man noch Träume…

  1. Jeremias sagt:

    Hallo, kompliment zur gelungenen Geschichte, lese sowas sehr gerne ;). Wäre es vielleicht möglich in Zukunft die Partien noch als pgn Datei einzufügen. Habe nicht immer ein Brett neben dem Rechner und im Kopf vorstellen fällt mir auch schwer.

  2. Etwas Ähnliches, aber längst nicht so brilliant formuliert, ist auf der Homepage der Schachgemeinschaft Nettetal: „www.schachgemeinschaft-nettetal.de“ unter >Nachrichten< >Sonstige Nachrichten< (Seite 2) = "Ein Schachabend vor über 40 Jahren in Lobberich" nachzulesen.

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