Der Schachspieler auf dem Rennrad

Tim Krabbes Roman ?de Renner? endlich auf Deutsch erschienen.

Nach fast 30 Jahren ist dieser Radsportklassiker endlich auch für deutsche Krabbe-Fans lesbar: ?Das Rennen?, ein autobiografischer Roman, der nicht nur für Cyclisten ein literarisches Meisterwerk  darstellt, sondern auch für jeden ambitionierten Sportler eine wahre Fundgrube an sprachlicher und psychologischer Kunstfertigkeit bereit hält.

Die Schachfreaks kennen Krabbe meist nur als Urvater der Schachbloggs, der mit seinen ?Schachkuriositäten? seit vielen Jahren beste Unterhaltung bietet: http://www.xs4all.nl/~timkr/chess/chess.html  Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der junge Tim schon mit 15 Jahren Radrennfahrer werden wollte, jedoch nicht das nötige Kleingeld für ein Rennrad aufbringen konnte. So blieb er beim Schach. Mit 30 Jahren legte er das Schachbrett zur Seite , um doch noch seinen Platz auf dem Rennrad einzunehmen. Als leidenschaftlicher Radsportler führt er uns in seinem Roman  durch ein Amateurradrennen 1977 in den Cevennen (Tour de Mont Aigoul). Seine Psychologie des Sports , die Unerbittlichkeit des Siegenwollens. die Schmerzen des Todeskampfes, schildert er so eindringlich, dass der Leser sich gleichsam in einem Begleitfahrzeug wähnt, aus dem ungefiltert diese existentiellen Fahrerkämpfe zu beobachten sind:

?Mein ganzes Leben hatte im Rückblick nur ein Ziel gehabt:dieses letzte Hinterrad zu erreichen, hier , jetzt.Ich konnte nicht mehr.Aber diese forteilende Ziellinie, acht,sieben,sechseinhalb Meter vor mir,hielt meine Hoffnung und mein Verlangen wach.

?Ich hustete und spuckte.Ich erinnerte mich  an den Ratschlag :?Schalte, wenn du wirklich am Ende bist, in einen höheren Gang. Ich schaltete.Ein paar hysterische Tritte auf dem Dreizehner, die geballte Kraft des Todeskampfes.Ich war da.Ich hing am letzten Hinterrad.Ich war Mitglied der Spitzengruppe.?

 

Seine Erfahrungen als Schachspieler begleiten den ehrgeizigen Radsportler übergangslos, fast assoziativ. Als ein junger Außenseiter schon frühzeitig einen Ausreißversuch unternimmt, der von den erfahrenen Fahrern nicht einmal ernsthaft registriert wird, weil er von kompletter Dummheit diktiert wurde, fällt dem Schachspieler Krabbe sofort seine eigene ?Lehrstunde? ein:?

?Krabbe brachte in seiner Partie bereits nach 5 Zügen ein Aufsehen erregendes Damenopfer, sodass sich um seinen Spieltisch Trauben von Zuschauern bildeten.Nach 10 Zügen gab er auf.?

Im Peloton wie im Sport allgemein gelten für Krabbe knallharte Regeln.?Wer sich mit anderen misst,will gewinnen, will den anderen ausschalten, ihn am Boden liegen sehen.

?Nichts zischt so schön wie der platzende Reifen eines Konkurrenten?

Gerade diese martialischen Beschreibungen des Sportlerhirns liefern ehrliche und amüsante Auskünfte .Kein ? Dabei-sein-ist-alles? ? Gefasel der Sonntagsredner kann Krabbe gelten lassen, nein, er polarisiert und polemisiert herzerfrischend, setzt gerne noch ?einen drauf?:

 

?Wer ein guter Verlierer sein kann,sollte vom Sport ausgeschlossen werden.?

 

Ich gebe zu, dieses Buch zweimal hintereinander gelesen zu haben, obwohl ich mein Fahrrad lediglich zum Einkaufen und zum schüchternen Sichern meines PKW-Führerscheins benutze.

Radsportweisheiten, die Krabbe immer wieder am Rande einstreut, kann man ( auch als Schachspieler) nicht oft genug lesen. Er zitiert z.B den berühmten Radrennfahrer Hennie Kuiper, der dem ambitionierten, doch schon etwas gealterten  Radnewbie Krabbe folgenden strategischen Rat mit auf den Weg gibt:

?

Radsport ist ein Sport der Geduld.Radsport bedeutet, zuerst den Teller des Gegners leer zu essen, und sich erst dann den eigenen Teller vorzunehmen.?

ich wünsche diesem beeindruckenden Werk viele Leser:

Tim Krabbe ?Das Rennen?, Reclam Verlag,

 ISBN:3-379-00848-8, 12?

 

 

 

 

 

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